Inzwischen liegen Einzelheiten zu Standortfragen und neuen Strukturen der Bundeswehr vor. Fast nichts war im Vorfeld durchgesickert, einige angebliche Pläne haben sich sogar als falsch herausgestellt. Massiv betroffen sind im Bereich Luftwaffe die Führungsstrukturen. So werden die drei Luftwaffendivisionen in Aurich, Birkenfeld und Fürstenfeldbruck aufgelöst. Fürstenfeldbruck wird zusätzlich vom Umzug des Flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe nach Köln betroffen sein.
Für den Einsatz von Hubschraubern in Heer, Luftwaffe und Marine ergeben sich wesentliche Veränderungen, die u.a. auf geänderte Stückzahlen der vorgesehenen Auslieferungen zurückzuführen sind: Schon in der Planungsphase befindet sich der Umzug des Marinefliegergeschwaders 5 (MFG 5) mit Westland Sea King MK41
von Kiel-Holtenau nach Nordholz. Dort ist nach wie vor die Geschwaderbezeichnung MFG 3 enthalten. Es bleibt abzuwarten, wie die Strukturen des Geschwaders mit den unterschiedlichen Mustern aussehen werden. Der noch ausstehenden Grundsatzentscheidung über den zukünftigen Marinehubschrauber als Ersatz für die Sea King und Sea Lynx kommt eine große Bedeutung zu. Dem Vernehmen nach wird in Marinekreisen anstelle des NH90 der Sikorsky S-92 favorisiert, ist er doch bereits in geeigneter einsatztaktischer Version schnell verfügbar. Die Zukunft der jetzt vorhandenen, im Unterhalt und durch Modernisierungsmaßnahmen teuren acht Seefernaufklärer P-3C „Orion“ wird überdacht.
Schon lange ist bekannt, den Standort des Lufttransportgeschwaders 61 (LTG 61) in Penzing bei Landsberg a. L. zu schließen. Dort sind zur Zeit noch Transall C-160 und Hubschrauber Bell UH1-D der Luftwaffe stationiert. Entscheidend für den Zeitpunkt der Maßnahme ist die Umstellung auf den Transporter A400M mit reduzierter Stückzahl (beabsichtigt: 40 statt 60). Ebenso betroffen ist das LTG 63 in Alt Duvenstedt bzw. Hohn, wo alle Bundeswehrangehörigen des Geschwaders abgezogen werden. Damit bleibt zukünftig nur der Standort des heutigen LTG 62 in Wunstorf für die neuen Flugzeuge erhalten. Die Anzahl der einsatzbereiten Transall wird schon jetzt jährlich als begleitende Maßnahme verringert. Nicht neu ist auch die vorgesehene Verteilung der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung auf den neuen Flughafen in Schönefeld mit den bislang in Tegel stationierten drei Hubschraubern „Cougar” und den „VIP“-Maschinen und den anderen Transportflugzeugen wie bisher am „alten“ Standort in Köln-Wahn.
Für die Hubschrauber des Heeres stehen umfangreiche Veränderungen an:
Nicht betroffen ist die Heeresfliegerwaffenschule in Bückeburg. Sie wird zukünftig als „Internationales Hubschrauberausbildungszentrum“ auch im Namen die Aufgabenstellung deutlich machen.
In Celle erfolgt ein Kahlschlag für die Heeresflieger: Heeresfliegerstaffel 109H, Heeresfliegerverbindungs- und Aufklärungsstaffel 100H, die Heeresfliegerinstandsetzungsstaffel und das Ausbildungszentrum „C“ der Heeresfliegerwaffenschule werden aufgelöst. Im Standort Holzdorf ist die Heeresfliegerunterstützungsstaffel 1 ebenfalls betroffen.
In Roth bei Nürnberg wird das Kampfhubschrauberregiment 26 „Franken“ außer Dienst gestellt, während in Fritzlar das Regiment 36 „Kurhessen“ als „Tiger“-Geschwader bestehen bleibt. Wie bereits bekannt, soll die ursprüngliche Beschaffung der 80 vorgesehenen Unterstützungshubschrauber auf 40 reduziert werden. Das Ende der Bo105 ist damit in Sicht.
Fest steht der Wechsel von CH53 zur Luftwaffe und dem Einsatz der NH90 bei den Heeresfliegern. Dabei sollen statt bislang über 80 nur noch etwa 60 CH53 vorgehalten werden, bei den NH90 von geplant 122 dann 80. Klarheit besteht nunmehr auch zu den Standorten. Das Mittlere Transporthubschrauberregiment 15 „Münsterland“ in Rheine-Bentlage wird aufgelöst. Für Laupheim ist nicht mehr das Mittlere Transporthubschrauberregiment 25 „Oberschwaben“ genannt, sondern ein „Hubschraubergeschwader“ (HSG) der Luftwaffe. Die Entscheidung zugunsten von Laupheim soll sehr knapp gewesen sein. Für den bisherigen Standort des HSG 64 in Holzdorf lautet die Angabe „Hubschraubergeschwader, Teile“ und zusätzlich eine „Systeminstandsetzung Drehflügler“ der Teilstreitkraft Luftwaffe. Auch wenn die Strukturen des HSG noch nicht feststehen, hofft man in der Kurt-Georg-Kiesinger-Kaserne in Laupheim auf einen starken Standort mit dem Stab des Geschwaders. Ob die Erwartungen an mehr stationierte Hubschrauber als jetzt erfüllt werden, muss unter Berücksichtigung der Dislozierung auf zwei Standorte und der Reduzierung abgewartet werden. Die Umsetzung des Wechsels vom Heer zur Luftwaffe soll schon sehr schnell erfolgen, nach vorläufigen Planungen bereits im ersten Halbjahr 2013.
Faßberg bleibt als Hubschrauberstandort des Transporthubschrauberregiments 10 „Lüneburger Heide“ bestehen. Ebenso wird Niederstetten weiterhin als Transporthubschrauberregiment 30 geführt. Damit werden die NH90 offensichtlich auf zwei Flugplätze verteilt.
Betroffen sind auch die technischen Einrichtungen der Luftwaffe:
Die Technische Schule der Luftwaffe 1 (TSLw 1) in Kaufbeuren wird aufgelöst. Die TSLw 3 in Faßberg wird zum „Technischen Ausbildungzentrum der Luftwaffe“. Das Luftwaffeninstandhaltungsregiment 2 in Diepholz mit seinen Kapazitäten und Erfahrungen wird in ein „Waffensystemunterstützungszentrum“ für die Luftwaffe umgewandelt.
Keine Informationen gibt es zu erforderlichen Veränderungen bei Einzelaufgaben der Transporthubschrauber bei Heer und Luftwaffe. Wenn die CH53 durch die Luftwaffe eingesetzt wird, dürfte die Transportaufgabe im Vordergrund stehen. Ob und in welchem Umfang dann geplante und begonnene Umrüstungsmaßnahmen, z.B. CH53 GA, noch greifen, bleibt offen. Die Heeresflieger dürften dann mit NH90 die Aufgabe CSAR (combat search and rescue) übernehmen. In der NATO werden darunter bewaffnete Such- und Rettungsaktionen in Krisengebieten einschließlich Personnel Recovery verstanden, also z. B. die Rettung abgestürzter Piloten aus feindlichem Gebiet. Unklar ist die zukünftige Aufgabenzuweisung für SAR nach internationalen Bestimmungen für die zivile Luftfahrt.
In diesem Zusammenhang könnte die bereits vertraglich vereinbarte Lieferung von 12 Sätzen „Forward AirMedEvac” ab 2012 für NH90 eine Vorentscheidung sein. Diese Konfiguration zur Luftrettung (gemeint ist nicht das zivile Luftrettungssystem in Deutschland!) und intensivmedizinischen Versorgung von Verwundeten ermöglicht Evakuierungseinsätze unabhängig von Geländebeschaffenheit, Tageszeit, Wetterlage, Sichtflugbedingungen und Bedrohungslage.
Auch wenn noch viele Details der Maßnahmen offen sind, ist die lang andauernde Diskussion und Unsicherheit zumindest in Teilen abgeschlossen. Die Umsetzung soll insgesamt bis 2017 dauern und für viele Angehörige der Bundeswehr und ihre Familien einschneidende Veränderungen mit sich bringen. Insbesondere die Ausgestaltung der Personalplanung und die notwendige soziale Begleitung stellen eine Herausforderung für alle Beteiligten dar, nicht zuletzt auch für betroffenen Kommunen, Städte, Kreise und Länder.
Artikel, Fotos: Ulrich Schröer, Freier Fachjournalist, Bonn