Am Luftrettungszentrum (LRZ) des Bremer Hubschraubers „Christoph 6“ fand ein luftrettungstechnisch interessantes Schauspiel statt. Seit Montag, den 22. August 2011, fliegt anstelle der bisher eingesetzten BK117 eine EC135 als “Christoph 6″.
Damit endet vorübergehend die Zeit der BK, hier speziell D-HDAC (SN 7005), die dort zuletzt eingesetzt wurde. Die seit nunmehr 14 Jahren fliegende BK117 wurde temporär auf das Muster EC135 umgestellt. Seit dem 1. Juli 1997 sind die Hubschrauber der ADAC Luftrettung GmbH in und über der Stadt Bremen zur Ergänzung des bodengebundenen Rettungsdienstes unterwegs. Viele Jahre war die BK117B2 (SN 7250) mit der Kennung D-HBRB als „Stammmaschine“ vorrangig am LRZ „Christoph 6“ eingesetzt.
Ihr unverwechselbares Äußeres mit Radarnase samt grauen Dichtungsgummi, dem großen ASB-Aufkleber auf den Seitentüren und dem Landescheinwerfer am linken Kufengestell machten die „Romeo-Bravo“ zu einem viel beachteten Einsatzmittel.
Jetzt ist die stete Zeit der BK wiederum unterbrochen. Bereits vorher musste aus flugbetrieblichen Gründen kurzfristig und auch nur vorübergehend eine EC135 eingesetzt werden. Der Flugbetrieb wurde auch jetzt wieder vorerst auf EC135 umgestellt und die D-HBYF (P2, SN 0078 aus 1999) aus Hangelar bei Bonn, dem Hauptsitz der ADAC Luftfahrt Technik GmbH, eingeflogen.
Dieser Hubschrauber ist im Vergleich zu den schon vorher in Bremen eingesetzten Maschinen eine Besonderheit. Bei ihm handelt es sich um eine von insgesamt drei EC135, die von der ADAC Luftrettung GmbH im Jahr 2010 von der Bayerischen Polizei aus dem „Altbestand“ gekauft wurden. Die Hubschrauberstaffel Bayerns erhielt acht EC135 neuester Bauart für den Einsatz in den beiden Standorten auf dem Flughafen München und in Roth. Die ehemaligen Polizei-EC’s unterscheiden sich von den bisher in der Flotte des ADAC eingesetzten Maschinen vorrangig durch ein BIV-kompatibles Glascockpit (EFIS) und das Wetterradar, gut erkennbar an der größeren Nase.
Ausstattungsbedingt haben die Hubschrauber auch nach der Umrüstung für den Einsatz in der Luftrettung ein etwa 100 kg höheres Leergewicht. Im Einzelfall können sich dadurch Auswirkungen auf die Einsatztaktik ergeben. Als Besonderheit sind die drei „bayerischen“ Hubschrauber mit der Möglichkeit zur Seitenbeladung beim Patiententransport ausgestattet worden. Die EC135 ist speziell in Standorten mit vielen innerstädtischen Einsätzen aufgrund ihrer Abmessungen gut zu nutzen. Sie ist zudem leiser und wirtschaftlicher zu betreiben.
Am Tag des Maschinentauschs trug der Hubschrauber noch die Kennzeichnung „Christoph Europa 1“ aus Würselen bei Aachen. Dort war er seit April 2011 mit kurzen Unterbrechungen eingesetzt.
Wie lange die D-HBYF dabei die BK als Tauschvariante ersetzen wird, ist offen und hängt letztlich vom gesamten Flottenmanagement ab. Dennoch gibt es Ausnahmen: Für besondere Einsatzaufgaben – die Windenrettung – stehen aufgrund unterschiedlicher Ausstattung nicht alle Hubschrauber in gleicher Weise als Ersatz zur Verfügung. So kommt als „Christoph Murnau“ regulär die D-HLIR zum Einsatz, da es sich um die einzige BK117 in der Version C1 beim ADAC handelt. Sie hat höhere Leistungsreserven, ein wesentlicher Vorteil beim Windeneinsatz im Gebirge.
Trotz des erneuten Typwechsels ist zu erwarten, dass es sich um eine zeitlich begrenzte Maßnahme handelt und das alte Muster wieder in Bremen eingesetzt wird. Die Bremer Station stellt nämlich mit ihrer BK eigentlich die sog. „back-up“-Maschine für den Winden-Standort „Christoph 26“ in Sanderbusch/Wilhelmshaven. Wenn dafür in der Vergangenheit auch nicht immer eine BK mit Windenbeschlag in Bremen flog, so war zumindest die Ausstattung mit einem speziellen Gerät für den Seefunk ein entscheidendes Merkmal, um bei einem technischen Defekt bei Chr. 26 schnell mit einer Tauschmaschine reagieren zu können. Zum Einsatzgebiet der ADAC-Retter von der Küste gehören auch die ostfriesischen Inseln und der küstennahe Bereich. Zur Kommunikation ist daher dieses Einsatzmittel unabdingbar. Die hohe Zuverlässigkeit und Leistungsreserven der BK117 bieten zusätzlich gute Voraussetzungen für die besondere geografische Lage.
Der Einsatzradius von „Christoph 6“ ist maßgeblich vom Stadtstaat Bremen und seiner weitgehend ländlichen Umgebung geprägt. Viele Flüge gehen in das Stadtgebiet; jedoch sind auch längere Flüge in das Umland oder weiter entfernte Kliniken notwendig. Maßgeblich für die Anforderung steht die verletzungsspezifische Indikation für den Einsatz des Hubschraubers im Vordergrund, oft aber auch die Funktion des Notarztzubringers, wenn das jeweilige Stadtteil-NEF nicht verfügbar ist.
Der bremische Rettungsdienst wird von der Feuer- und Rettungsleitstelle (FRLSt) der Berufsfeuerwehr Bremen koordiniert. Hierbei können die Disponenten stadtweit auf diverse Rettungswagen (RTW) und 5 Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) zurückgreifen. Diese sind geografisch den vier Himmelsrichtungen und „Mitte“ zugeordnet. Wenn eine Unterversorgung in einem der Zuständigkeitsgebiete eintritt, greift die Leitstelle auf den Rettungshubschrauber (RTH) Christoph 6 zurück. Während des Anflugs zum Einsatzort stimmt sich die Crew mit einem zeitgleich alarmierten Streifenwagen der Polizei Bremen ab. Nach der Landung wird die medizinische Besatzung von der Polizei zum eigentlichen Einsatzort gefahren. Dieses Beispiel übergreifender Zusammenarbeit unterschiedlicher Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit einem doppelten „Rendez-vous-System“ (erst RTH und Polizei am Landeort, dann Crew und RTW am Notfallort) hat sich bewährt. Es bietet Routine und zugleich Flexibilität im Rettungsdienst.
„Christoph 6“ ist als Ergänzung des bodengebundenen Rettungsdienstes für die Berufsfeuerwehr Bremen nicht mehr wegzudenken. So stellt der Hubschrauber ein variables, schnelles Einsatzmittel dar, um qualifizierte und medizinische Hilfe in fast jeden Winkel der Hansestadt zu bringen. Die hohe Anzahl von 1.329 Alarmierungen in 2010 macht den hohen Wert sichtbar. In Rettungsdienst-, Feuerwehr- und Polizeikreisen und auch der Bremer Bevölkerung haben sich Besatzung und Maschine einen festen Platz mit hohen Sympathiewerten erflogen.
Zum aktuellen Abschied von der BK117 ist auf privater Basis ein spezieller „fly-in/fly-out“- Aufnäher initiiert worden. Die Idee war — trotz schon mehrfacher Wechsel — den Maschinentausch endlich auch brementypisch in eine Grafik umzusetzen und Sammlern aus besonderem Anlass einen gesonderten Aufnäher zu bieten, der sich von den „normalen“ Stations- und Crewaufnähern abhebt. Entwurf und Umsetzung erfolgten schnell in Zusammenarbeit mit der renommierten Patch-Firma „bk-helicopter-patch-design.de“. Wie schon bei vielen anderen Aufnähern ist es wiederum gelungen, das Ereignis mit dem Motiv farblich ansprechend, detailgetreu und hochwertig auf Stoff darzustellen. Der Aufnäher ist zur Abgabe an Sammler und andere Interessierte vorgesehen und wird in Kürze über Sven Arnold/Bremen (svenarnold@ewetel.net) und auch die Station „Christoph 6“ zu beziehen sein.
„Christoph 6“ wurde am 20. Dezember 1973 als sechster RTH im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums des Innern in Dienst gestellt. Für den Flugbetrieb setzte die Bundespolizei dort bis zum Betreiberwechsel Mitte 1997 einen Zivilschutz-Hubschrauber Bell 212 ein.
Für Bremen und das Umland steht auf dem Flughafen Bremen zusätzlich „Christoph Weser“ mit einer BK117 der DRF Luftrettung für Einsätze bereit.
Den Wechsel am Standort verfolgten einige Zaungäste und sahen der abgelösten BK117 D-HDAC in den Himmel hinterher, als sie abhob und sich mit ihrem unverwechselbaren Sound und Aussehen über Bremen verabschiedete. „Schade!“ dachten sicherlich viele – wünschten dem neuen Hubschrauber aber einen gleichen Erfolg im Einsatzgeschehen für die Menschen in und um die Hansestadt Bremen, zugleich aber auch mit der Hoffnung, schnell die brementypische BK117 wieder sehen und hören zu können.
Immer „Happy landings!“ für Christoph 6.
Artikel: Sven Arnold, Ulrich Schröer. Fotos: Sven Arnold, Lars Gauglitz, Alexander Mura