SAR-Kommandos vor dem Aus? Kommandos tem­po­rär geschlos­sen

Maßgeblich für die Entscheidung waren Überlegungen, mit den gerin­ger wer­den­den finan­zi­el­len, mate­ri­el­len und per­so­nel­len Ressourcen den SAR-Dienst auf­recht zu erhal­ten und gleich­zei­tig zukünf­ti­ge Planungen zu berück­sich­ti­gen.Die Medien haben dar­über berich­tet: Kurzfristig und für die Meisten über­ra­schend wur­de ent­schie­den, den Flugbetrieb am SAR-Kommando in Erfurt „tem­po­rär” ab dem 15. März 2010 ein­zu­stel­len. Die Rückführung des Hubschraubers in das Geschwader ist an die­sem Tag erfolgt. Der Stützpunkt auf dem Flughafen wird von der Luftwaffe mit einem Hubschrauber Bell UH-1D des Lufttransportgeschwaders (LTG) 62 betrie­ben.

Bereits seit län­ge­rem ist in der Bundeswehr die Konzentration auf die eigent­li­che Aufgabe SAR fest­zu­stel­len: Zivile Einsätze im Rahmen der Luftrettung sind ste­tig zurück­ge­gan­gen. Die hier­zu bestehen­den Betrachtungsweisen des Bundesrechnungshofes und die damit bis­lang ein­her­ge­gan­ge­nen orga­ni­sa­to­ri­schen Maßnahmen sind nicht immer nach­voll­zieh­bar. Insbesondere mit dem frü­he­ren Flugbetrieb an Rettungszentren hat sich die Luftwaffe den her­vor­ra­gen­den Ruf ihrer SAR-Hubschrauber und Besatzungen erwor­ben und wert­vol­le Einsatzerfahrung gewon­nen.

In der Vergangenheit sind die Standorte des SAR-Dienstes erheb­lich redu­ziert wor­den. Der Flugbetrieb an Rettungszentren wur­de voll­kom­men, zuletzt in Neustrelitz, auf­ge­ge­ben. Insgesamt 10 Kommandos deck­ten bis­lang Deutschland ab. Acht wer­den von Lufttransportgeschwadern mit Bell UH-1D, zwei vom Marinefliegergeschwader 5 (auf Helgoland bzw. in Kiel und Warnemünde, abhän­gig von der Verfügbarkeit) mit Westland Sea King Mk41 betrie­ben. Zuständig für den Einsatz sind die mili­tä­ri­schen SAR-Leitstellen (Rescue Coordination Centre RCC) in Münster und Glücksburg. Sie haben die Hubschrauber im Jahr 2009 ins­ge­samt 825 Mal ein­ge­setzt, davon für zivi­le Zwecke im Rahmen der drin­gen­den Nothilfe 528 Mal. Vor dem Hintergrund der für das ver­gan­ge­ne Jahr von der ADAC Luftrettung GmbH, der DRF Luftrettung und dem BMI ver­öf­fent­lich­ten Einsatzzahlen ihrer Rettungshubschrauber mit nur wenig unter ins­ge­samt 100.000 ist die­ser Wert als gering zu bezeich­nen. Um so unver­ständ­li­cher erscheint es, dass in ein­zel­nen Regionen der SAR-Hubschrauber als „Konkurrenz” zur öffent­lich-recht­li­chen Luftrettung betrach­tet wird.

Im März 2010 wur­de an drei Standorten der Luftwaffe der Flugbetrieb tem­po­rär ein­ge­stellt. Sie kön­nen inner­halb von Stunden wie­der akti­viert wer­den. Als ers­tes wur­de die Maßnahme für Erfurt bekannt. SAR 89 bil­det unter tra­di­tio­nel­len Gesichtspunkten eine Besonderheit: Trotz sei­ner rela­tiv „jun­gen” Vergangenheit war er seit 1989 einer der Grundsteine der zivi­len Luftrettung in Thüringen und den angren­zen­den Bereichen, bis in den Folgejahren die Strukturen des heu­ti­gen Luftrettungsnetzes auf­ge­baut waren. Viele der betei­lig­ten Ärzte und Rettungsassistenten den­ken weh­mü­tig dar­an zurück. Nach der Einsatzstatistik wur­de der Erfurter Hubschrauber ver­gleichs­wei­se häu­fig für zivi­le Luftrettungseinsätze ange­for­dert. Das ver­deut­licht zum Einen den hohen Einsatz- und Stellenwert als beson­de­res Transportmittel im Rettungsdienst der Länder, zum Anderen aber auch die Wertschätzung nach lan­gen Jahren der erfolg­rei­chen Zusammenarbeit mit dem medi­zi­ni­schen Personal.

Zusätzlich erga­ben sich für wei­te­re Kommandos Veränderungen: Für SAR 81 (LTG 63) in Laage ist der Abzug der Maschine am 22. März 2009 erfolgt. SAR 51 (LTG 61) in Ingolstadt hat bereits eben­falls am 15. März tem­po­rär der Flugbetrieb ein­ge­stellt. In Diepholz ist SAR 31 (LTG 63) trotz zunächst ande­rer Verlautbarungen nach wie vor ein­ge­setzt. Zur Zeit sind wei­te­re Maßnahmen nicht bekannt. Bereits in der Vergangenheit wur­de mehr­fach die Einsatzbereitschaft von SAR 31 und 81 mit einem Hubschrauber direkt im LTG 63 in Hohn auf­recht­erhal­ten, wenn die Standorte selbst nicht besetzt wer­den konn­ten. Im Bedarfsfall stell­te das LTG auch mit dem „Seawolf” den SAR-Dienst über See anstel­le eines Hubschraubers der Marine sicher.

Von den Folgen nicht betrof­fen sind die ver­pflich­ten­den inter­na­tio­na­len Bestimmungen zur Vorhaltung eines zivi­len SAR-Dienstes, der in Deutschland von der Bundeswehr im Auftrag des zustän­di­gen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wahr­ge­nom­men wird. Hierbei sind Mindestvorgaben zu erfül­len. Festlegungen über Art und Umfang erfol­gen natio­nal. Bei der Errichtung wur­den sei­ner Zeit z. B. die Einsatzradien (Entfernung/Eintreffzeit) und die Standorte zu einer flä­chen­mä­ßi­gen Abdeckung auch unter Berücksichtigung eige­ner Interessen der Bundeswehr fest­ge­legt und gehen über die grund­sätz­li­chen Forderungen hin­aus. Damit ist eine Umstrukturierung auf­grund jet­zi­gen Maßnahmen hin­aus nicht erfor­der­lich.

Einschneidende Veränderungen wird es jedoch geben, wenn ein neu­er Hubschrauber auch für SAR-Aufgaben zur Verfügung steht. Die ver­än­der­ten tech­ni­schen und orga­ni­sa­to­ri­schen Voraussetzungen ermög­li­chen per­so­nel­le und mate­ri­el­le Einsparungen, ohne das System als sol­ches funk­tio­nal zu beein­träch­ti­gen. Bereits heu­te spie­len sich wesent­li­che Teile der Aufgabe „Search” (z. B. Ortung von Notsignalen) im sta­tio­nä­ren tech­ni­schen Bereich ab. Die Aufgabe „Rescue” wird von den soge­nann­ten SAR-Mitteln zwei­ten Grades unter­stützt. Dazu gehö­ren z.B. auch die Hubschrauber der Luftrettung. Somit wird sicher­lich ein erneu­ter Abgleich zwi­schen der zivi­len Aufgabe und den eige­nen Interessen z. B. bei Luftnotfällen von mili­tä­ri­schen Luftfahrzeugen erfol­gen.

Der SAR aus Malmsheim zu Besuch beim Tag der offe­nen Tür in Ludwigshafen

Die Maßnahmen müs­sen zusätz­lich vor dem Hintergrund gese­hen wer­den, dass der Luftransport der Luftwaffe ins­ge­samt umstruk­tu­riert wird. Die bis­her zustän­di­ge Kommandobehörde, das Lufttransportkommando mit Sitz in Münster, wird auf­ge­löst und als natio­na­le Komponente in das neue European Air Transport Command (EATC) in Eindhoven/NL ein­ge­glie­dert. Das RCC Münster soll nach Kalkar-Uedem in die Bunkeranlage auf dem Paulsberg umzie­hen. Dort ist neben NATO-Einrichtungen auch das „Nationale Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum (NLFZ)” sta­tio­niert.

Auf der ILA 2010, dem her­aus­ra­gen­den Event zur Luftfahrt, war es schwie­rig, sich bei der Bundeswehr selbst aktu­ell über Einzelheiten und zukünf­ti­ge Planungen zu infor­mie­ren. Die in der Vergangenheit bewähr­te Präsentation des SAR-Dienstes mit Fachleuten aus dem Bereich Luftwaffe und Marine im HeliCenter gab es nicht. Zumindest aus tra­di­tio­nel­ler Sicht fehl­te damit eine maß­geb­li­che Organisation der Luftrettung neben den ande­ren gro­ßen Betreibern ADAC, DRF und BMI.

Direkte Informationen zum SAR-Dienst fin­den sich auf einer spe­zi­el­len Seite der Bundes-wehr: http://www.rcc-muenster.aero

Artikel, Fotos: Ulrich Schröer, Freier Fachjournalist, Bonn

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