Während zu Beginn 2014 der bereits terminierte „Tag der Luftrettung“ kurzfristig und relativ stillschweigend aufgrund anderer Ereignisse im ADAC abgesagt wurde, ist die ADAC Luftrettung gGmbH in diesem Jahr am 27. Januar wieder zu dezentralen Präsentationen zurückgekehrt. Damit bietet sich einzelnen Luftrettungszentren und auch den Regionalclubs die Möglichkeit, die Besonderheiten ihres Bereiches angemessen und individuell darzustellen, gleichzeitig jedoch auch einheitlich darüber hinausgehende und entsprechend aufbereitete Informationen einfließen zu lassen. Schwerpunkt zur Medienarbeit waren die Stützpunkte „Christoph Europa 1“ (Würselen), „Christoph 22“ (Ulm), „Christoph 25“ (Siegen), „Christoph 28“ (Fulda), „Christoph 40“ (Augsburg) und „Christoph Hansa“ (Hamburg).
52.577 Mal, 1.591 Einsätze mehr als 2013, hoben die „gelben Engel“ ab, um 47.000 Menschen in Not zu helfen. Das sind durchschnittlich 129 Einsätze pro Tag. Der starke Zuwachs der Einsätze in 2014 ist zum Teil auf die neue Station „Christoph 40“ in Augsburg zurückzuführen.
Aber auch die Tatsache, dass „Christoph 31“ (Berlin) seit Mai im Schichtdienst und nun auch bis Sonnenuntergang fliegt (copterweb.de berichtete) trägt zum Anstieg bei. 3.714 Einsätze, 627 mehr als 2013, konnte der meist eingesetzte Rettungshubschrauber im Jahr 2014 verzeichnen. Hier stellt sich die Frage, ob die frühere hohe Fehleinsatzquote auch in 2014 zu verzeichnen war. Auffällig ist, dass die ehemals sehr hohen Zahlen im Jahr 2011 drastisch zurückgegangen sind, als seitens der ADAC Luftrettung die Forderung nach einem zweiten RTH laut wurde und das Alarmierungssystem in Berlin verändert wurde. Zwischenzeitlich haben die Medien mehrfach über organisatorische und materielle Defizite des bodengebundenen Rettungsdienstes in Berlin berichtet, so dass der RTH nunmehr offensichtlich wieder öfter als notarztbesetztes Rettungsmittel alarmiert wird. Mit der hohen Einsatzfrequenz ergeben sich materielle und personelle Konsequenzen für den Flugbetrieb.
Danach folgen, mit fast 1.500 Einsätzen weniger als „Christoph 31”, „Christoph Europa 1“ (Würselen) mit 2.238 Einsätzen und „Christoph 5“ (Ludwigshafen) mit 2.013 Einsätzen. Fast 50% der Einsätze waren internistische Notfälle, jeweils 12% Freizeitunfälle und neurologische Notfälle und 10% waren Verkehrsunfälle.
In der vergleichenden Betrachtung zu den Zahlen 2013 fällt insbesondere der Rückgang der um 120 Einsätze am Luftrettungszentrum „Christoph 32“ (Ingolstadt) auf. Auch wenn jährliche Schwankungen von 10 % im Einsatzaufkommen als durchaus normal zu bezeichnen sind, könnte unmittelbar der neue Standortes in Augsburg der Grund sein. So sieht es auch der Stationsleiter. Die erstmalige Auswertung dürfte aber im Augenblick noch keine belastbaren Rückschlüsse zulassen.
Bereits 2009 hat das Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM), Klinikum Universität München, in seiner Bedarfsanalyse zur Luftrettungsstruktur in Bayern die Dichte der Luftrettungsmittel in der Region Ulm – München — Ingolstadt verdeutlicht und keinen Bedarf für den Standort Augsburg gesehen („Es wird empfohlen, in der Region Donauwörth einen zusätzlichen Luftrettungsstandort zu etablieren, wobei die ärztliche Besetzung vom Klinikum Augsburg erfolgen sollte.“) Aufgrund politischer Entscheidung wird noch in diesem Jahr ein weiterer RTH in Dinkelsbühl den Flugbetrieb aufnehmen. Hier wird die Beobachtung der Entwicklung von Einsatzzahlen in vergleichender Betrachtung in den nächsten Jahren interessant sein.
Auch in die benachbarten Länder Niederlande und Belgien wurden die Rettungshubschrauber „Christoph Europa 1“ (Würselen), „Christoph Europa 2“ (Rheine), „Christoph Westfalen“ und „Christoph Rheinland“ gerufen. Insgesamt 85 mal flogen sie in die Niederlande und 5 mal nach Belgien.
Die beiden in den Niederlanden und Österreich stationierten Hubschrauber „Lifeliner Europa 4“ (Groningen) und „Christophorus Europa 3“ (Suben) waren viel unterwegs. So gibt die Statistik der ADAC Luftrettung an, dass der niederländische Rettungshubschrauber 1.492 Einsätze geflogen ist. Aus der hohen Zahl ergibt sich, dass damit die Gesamtzahl der Einsätze gemeint sein dürfte. Eine Differenzierung mit Angabe der Einsätze des Hubschraubers in Deutschland wäre für die Statistik der deutschen Luftrettung aufschlussreich. „Lifeliner 4“, wie er im Web-Auftritt des Mobiel Medisch Team und auch des ANWB Medical Air Assistance ohne den Zusatz „Europa” heißt, wird in Kooperation von der ADAC Luftrettung gGmbH und ANWB, dem niederländischen Automobil-Club betrieben. Die ADAC Luftrettung stellt den Hubschrauber, der ANBW sorgt für den operativen Teil.
Der im österreichischen Suben stationierte „Christophorus Europa 3“ ist laut Statistik 763 Mal eingesetzt worden. Auch hier ist es nicht klar ersichtlich, ob es sich bei der Zahl um die in Deutschland geflogenen Einsätze handelt, oder ob es die Einsatzzahlen sind, an denen die ADAC Luftrettung am Standort Suben Dienst tut. Auf den Seiten der ÖAMTC Flugrettung wird eine Einsatzzahl von 1.838 angegeben. Besonderheit dieser Station ist, dass die Besatzungen halbjährlich wechseln. So fliegen von November bis April ein Hubschrauber und die Piloten der ADAC Luftrettung und von Mai bis Oktober ein Hubschrauber und die Piloten der Flugrettung des ÖAMTC, dem österreichischen Automobil-Club.
Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass ein Vergleich des Einsatzaufkommens zwischen den einzelnen Standorten bundesweit eigentlich nicht möglich ist. Einsatzzeiten, regionale Gegebenheiten der Infrastruktur, Geografie spielen eine wesentliche Rolle. Aufnahmebereite Kliniken mit ihrer auch immer noch zunehmenden Spezialisierung und die Strukturen des bodengebundenen Rettungsdienstes nicht nur in den Ländern selbst, sondern auch in einzelnen Rettungsdienstbereichen, haben unmittelbare Auswirkungen für die Anforderungen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass vor dem Einsatz eine überprüfte Notarztindikation vorliegt, gibt es keine verlässlichen statistischen Werte zur Einsatzqualität des hochwertigen Rettungsmittels Hubschrauber. Ebenso fehlen Angaben zur Fehleinsatzquote, zudem diese je nach vorgegeben Beurteilungsmaßstäben ohnehin ebenfalls nur bedingt interpretierbar sind.
Die aktuelle Statistik der ADAC Luftrettung belegt eindrucksvoll den unverzichtbaren Stellenwert der Luftrettung in Deutschland.
Autor:
Werner Latten, Berlin
Ulrich Schröer, Freier Fachjournalist, Bonn