Etwas mehr Klarheit gibt es für die Luftrettung im Freistaat Bayern. Der geplante Rettungshubschrauber (RTH) in Augsburg ist immer noch nicht dort stationiert. Ein genauer Zeitpunkt für die Inbetriebnahme war bislang offen. Gerade erst ist nach der Entscheidung vor bereits mehr als einem Jahr die Ausschreibung erfolgt, da zeichnen sich Schwierigkeiten ab, überhaupt Bewerber zu den ausgeschriebenen Bedingungen zu finden.
(30.05.2012) Die hohen Mietkosten, die in die Kalkulation einfließen müssen, und andere Vorgaben schrecken ab und reduzieren die Anzahl potenzieller Betreiber. Das neue Luftrettungszentrum wird relativ kostenintensiv auf dem Dach des Klinikums entstehen. Offensichtlich liegt das Angebot nur eines Luftrettungsbetreibers vor, der jedoch auf geänderten Bedingungen besteht. Damit sind ggf. direkte Auswirkungen auf das durchgeführte Ausschreibungsverfahren zu erwarten, zumal auch einzelne Vorgaben nicht auf das zugrunde liegende Gutachten für die Luftrettung in Bayern gestützt werden können.
Donau-Ries ist im Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) zur Luftrettung in Bayern als unzureichend versorgtes Gebiet charakterisiert worden. Mit der abweichenden politischen Entscheidung für Augsburg sind wissenschaftlich fundierte Auswertungen ignoriert worden. So ist hier noch eine Lösung erforderlich. Immer wieder tauchte eine mögliche Verlagerung von „Christoph 27”, der auf dem Flughafen Nürnberg stationiert ist, nach Gunzenhausen auf. Dieser Idee erteilte Innenminister Joachim Herrmann bereits am 25. Mai 2012 eine klare Absage. Zudem steht er in der Pflicht, seine propagierte Lösung einer länderübergreifenden Kooperation mit der Luftrettung in Baden-Württemberg anzustreben. Auch hier sind bisher keine Fortschritte bekannt.
Aufgrund der langen Verzögerungen hat am heutigen Vormittag im Bayerischen Staatsministerium des Innern eine gemeinsame Besprechung mit Landräten, Oberbürgermeistern und den Kostenträgern stattgefunden, um über das weitere Vorgehen bei der Luftrettung im Bereich Augsburg, südwestliches Mittelfranken und nordwestliches Schwaben zu beraten.
Um 13 Uhr informierte der Minister persönlich die Medienvertreter im Innenhof seines Amtssitzes, dass der Standort Augsburg nicht infrage gestellt werde
In der Pflicht zum ordnungsgemäßen Abschluss des Ausschreibungsverfahrens und der unverzüglichen Umsetzung wird der zuständige Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Augsburg gesehen. Dieser hat die Stationierung des RTH am Klinikum Augsburg für spätestens April 2013 angekündigt. Die Entscheidung pro Augsburg hat jedoch für den nördlichsten Teil Schwabens und das südwestliche Mittelfranken den Nachteil, dass diese Gebiete von Augsburg aus nicht innerhalb des 60-Kilometer-Radius liegen, der für Rettungsflüge der Standorte in Bayern gilt. Anflüge dauern damit länger als anderswo.
Dazu wird es jetzt zumindest eine schnelle Zwischenlösung geben. Der Intensivtransporthubschrauber (ITH) aus Nürnberg soll probeweise noch in 2012 für ein Jahr nach Roth verlagert werden. Dazu ist die Abstimmung mit dem zuständigen ZRF Nürnberg notwendig. Das Projekt wird entsprechend dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet. Gleichzeitig soll der Hubschrauber dazu zukünftig offiziell als Dual-Use RTH/ITH eingesetzt werden.
„Christoph Nürnberg” ist auf dem Flughafen Nürnberg nach den Bestimmungen des Landes Bayern als reiner ITH stationiert und wird von der HDM Luftrettung gemeinnützige GmbH, einem Tochterunternehmen der DRF Luftrettung, gestellt. Im 24-Stunden-Betrieb liegt der Schwerpunkt des Hubschraubers in den Bereichen Intensivtransport und Luftrettung bei Nacht. Im Bedarfsfall werden auch Primäreinsätze durchgeführt. Bislang ist ein leistungsstarker Hubschrauber vom Typ Bell 412 eingesetzt. Aufgrund seiner Größe und technischen Voraussetzungen ist er nicht optimal für die Primärrettung, d. h. das schnelle Heranführen der medizinischen Besatzung direkt an den Notfallort, geeignet. Es bleibt abzuwarten, ob ein anderes Muster eingesetzt wird, zumal in absehbarer Zeit ohnehin die Ablösung durch den neuen Hubschrauber EC 145 T2 von Eurocopter erfolgen wird.
Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Georg Schmid, begrüßt den Schritt als „schnelle und funktionsfähige Lösung”. Er setzte sich in der Vergangenheit für einen RTH-Standort in Donau-Ries ein, ist damit ein Verfechter der besseren notfallmedizinischen Versorgung der Region. Innenminister Herrmann sieht die Stationierung in Roth möglicherweise als Dauerlösung. Trotzdem jedoch ist die Luftrettungssituation in Westmittelfranken nicht optimal, auch könnten unmittelbare Auswirkungen auf den Bereich Nürnberg entstehen. Daher werde ergebnisoffen nach der Auswertung über einen weiteren RTH-Standort in Bayern entschieden, um die Versorgung im Bereich Donau-Ries zu optimieren.
Hier könnte dann die angekündigte Kooperation mit Baden-Württemberg greifen. Als Stationierungsort wurde in der Vergangenheit Ellwangen genannt, obwohl Stuttgart bislang keine Notwendigkeit zu Veränderungen sieht. Nicht auszuschließen ist jedoch auch eine neue Projektphase in der Luftrettung Bayerns oder länderübergreifend an einem anderen Ort. Es können dann zusätzliche und neuere Erkenntnisse zum vorliegenden Gutachten gewonnen werden, in dessen grundsätzliche Aussagen der RTH in Augsburg und das Projekt in Roth eingreifen. Obwohl sich die Kostenträger nach der Entscheidung für Augsburg kritisch geäußert hatten, signalisierten sie Gesprächsbereitschaft.
Artikel: copterweb.de
Fotos: Jürgen Handrich