Am 5.Juli erhielt die Station „Christoph 4” vor der malerischen Kulisse des Neuen Hannover Rathauses den neuen ZSH.Bereits einen Tag nach der Indienststellung der EC 135 T2i am Rettungszentrum Bundeswehrkrankenhaus Hamburg erhielt das Luftrettungszentrum „Christoph 4” in Hannover am 5. Juli 2007 den vorgesehenen neuen Zivilschutz-Hubschrauber (ZSH) mit der Kennung D-HZSD. Der zuständige Betreiber der Station, die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Landesverband Niedersachsen/Bremen, hatte für die feierliche Übergabe die malerische Kulisse des Neuen Rathauses Hannover ausgewählt.
Die frische orangene Farbe der Maschine kam durch die Sonne eindrucksvoll zur Geltung. Der „alte” Christoph 4 (BO 105 CBS-5, D-HGSQ) und Christoph Niedersachsen überflogen wie zum Gruß den Veranstaltungsort.
Der Moderator der Veranstaltung, Dr. med. Christian Probst, Arzt der Unfallchirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und zugleich Leitender Hubschrauberarzt, begrüßte die zahlreichen Gäste aus verschiedenen Bereichen, an ihrer Spitze der Minister für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen, Uwe Schünemann, der Regierungspräsident von Hannover, Repräsentanten der Stadt Hannover, von Leitstellen, Feuerwehren, Hilfsorganisationen und Rettungsdiensten sowie der Polizei aus der Region. Aus dem Bereich des Flugdienstes der Bundespolizei (BPOL) wohnten einige ehemalige Piloten der Grenzschutz-Fliegerstaffel Nord (heute: BPOL-Fliegerstaffel Nord — Stützpunkt Gifhorn) der Veranstaltung bei, nicht ganz ohne Wehmut an die alte Huey zu denken, den Einsatzhubschrauber von 1984 bis 1997.
Der Vertreter der Stadt Hannover würdigte den hohen Einsatzwert des Rettungshubschraubers. Für das Bundesministerium des Innern (BMI) verdeutlichte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, das auch zukünftige Engagement des Bundes für die Ausstattung des Katastrophenschutzes und damit auch in der Luftrettung.
In seiner Rede stellte Innenminister Schünemann das Erfolgsmodell Christoph 4 heraus. Er verwies auf fast 35 Jahre Arbeit mit etwa 50.000 Einsätzen, zu denen jedes Jahr viele hinzukämen. Mit der Unterstützung des BMI, den Piloten und Technikern der BPOL-Fliegerstaffel Nord, den Ärzten der MHH und den Rettungsassistenten der JUH sei ein Erfolgsprojekt mit schneller und entschlossener Hilfe entstanden. Mit dem neuen Hubschrauber könne „Christoph 4” die gute Arbeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger fortsetzen. Der auch im Ausland beachtete Modellcharakter des Luftrettungszentrums sei integraler Bestandteil des Hilfeleistungssystems in Niedersachsen. Luftrettung bedeutete Hochleistungsmedizin auf engem Raum, eine Symbiose aus jetzt neuester Technik und hervorragendem Personal.
Schünemann nutzte die Gelegenheit, um auf einige Besonderheiten im neuen Niedersächsischen Rettungsdienstgesetz hinzuweisen: Im Vordergrund stehen Regelungen zum Wohl des Patienten. Die über 70 Leitstellen werden auf eine wirtschaftlich sinnvolle Zahl von integrierten und kooperativen Leitstellen reduziert. Kostenintensive Fehleinsätze sollen verringert werden. Damit ist auch ein Vorteil für die Luftrettung gegeben. Durch die Kombination von Intensivtransporten zu Boden und in der Luft durch Berücksichtigung von Intensivtransportwagen in den gesetzlichen Regelungen entsteht eine Verbesserung für die betroffenen Patienten. In diesem System erhält die Koordinierungsstelle Hannover (KOST) einen festen Platz auf rechtlicher Grundlage. Weiteres Ziel im Rahmen des medizinischen Qualitätsmanagements wird die Aus- und Fortbildung des nicht-ärztlichen Personals sein.
Den Besatzungen von Christoph 4 wünschte der Minister eine immer gute und wohlbehaltene Rückkehr.
An die langen Jahre der Zusammenarbeit als Betreiber des Standortes von Anfang an erinnerte Thomas Mähnert, Landesvorstand der JUH e.V. Niedersachsen/Bremen. Die hohen Einsatzzahlen seien beeindruckend. Mit ständigen Qualitätssicherungsmaßnahmen solle dieser Standard durch den Betreiber auch weiterhin gefördert werden. Anerkennung habe die Arbeit durch die Zertifizierung des Luftrettungszentrums nach DIN ISO 9001 erfahren. Eindrucksvoll schilderte er einen ganz besonderen Einsatz von Christoph 4 mit dem langjährigen und heutigen Leitenden Rettungsassistenten Volker Hubrich: Auf dem Steinhuder Meer war ein kleiner Junge eingebrochen und unter das Eis geraten. Aus der Luft wurde der leblose Körper erst nach knapp 30 Minuten entdeckt. Der Junge konnte nach dem Aufbrechen des Eises mit Hilfe der Kufe des Hubschraubers gerettet werden und trotz der langen Zeit im Wasser genesen. Dieser erfolgreiche Einsatz diente Liedermacher Reinhard Mey als Grundlage für seinen bekannten Song „Golf November”.
1990 sorgte ein Einsatz für Aufsehen: Trotz Einflugverbots für die noch bestehende DDR war Christoph 4 zu einem Verletzten in ein Stadion bei Magdeburg unterwegs und wurde nach Überfliegen der Grenze von Abfangjägern der NATO und der russischen Luftwaffe „gejagt”. Aufgrund des großen Medieninteresses am Einsatzort konnte der Flug trotz Volkspolizei zu Ende geführt werden — später honoriert mit einem Schreiben des damaligen Bundesinnenministers Manfred Kanther.
Respekt und Anerkennung, zugleich aber auch Dank für die fortwährende Arbeit, sprach Mähnert allen Beteiligten aus, insbesondere aber der BPOL und dem Träger der Luftrettung in Niedersachsen, dem Ministerium für Inneres und Sport.
Anknüpfend verdeutlichte Professor Dr. med. Christian Krettek, Direktor der Unfallchirurgischen Klinik der MHH, den — wie er sagte — Quantensprung mit neuer Technik. Gerade vor dem Hintergrund weiterer Arbeiten am Faktor Zeit im System der medizinischen Versorgung sei der Hubschrauber mit ein Garant für Schnelligkeit. Unter diesem Aspekt sei auch das Simulatortraining, das von der Traumastiftung finanziert werde, ein erfolgreiches Mittel. „Christoph 4 ist nicht irgend ein Transportmittel, sondern Werkzeug für Hilfe für Menschen in extremen Grenzsituationen”.
Wie bereits in Hamburg stellte Leitender Polizeidirektor Gunter Carloff die technischen Neuerungen der EC 135 in den Vordergrund seiner Ausführungen. Mit dem Generationswechsel erhalte Hannover den zur Zeit weltbesten Hubschrauber für die Luftrettung. Die Erfahrungen aus dem Flugdienst der BPOL seien eingeflossen, um bessere medizinische Bedingungen zu schaffen und die Arbeitsbelastung für die Piloten zu reduzieren.
Nach kurzen Schlussworten von Dr. Probst klang der Redenteil mit dem Lied von Reinhard Mey aus, bevor am Hubschrauber die offizielle Übergabe stattfand.
Der Hubschrauber wurde anschließend direkt auf das Landedeck der Station geflogen; die Rettungsassistenten der JUH rüsteten die medizinische Ausstattung ein.
Bis zum Schluss stand an diesem Tag die BO 105 bereit. Um 18:51 Uhr wurde der letzte Einsatzflug mit der BO als Folgeeinsatz mit Nummer 712 (2007) zu einem internistischen Notfall nach Altencelle durchgeführt. Geflogen wurde der Hubschrauber von Pilot Olaf Buchwald, begleitet von HEMS-Crew-Member Rettungsassistent Dr. Justin Bender und Notarzt Dr. Christian Müller. Am nächsten Morgen war der neue ZSH zur üblichen Zeit um 7 Uhr startklar. Schon um 8:53 Uhr startete die Besatzung mit Pilot Hans-Otto Filter, Hubschrauberarzt Dr. Michael Frink und Rettungsassistent Marc-Oliver Lüpkemann mit Einsatz-Nummer 713 in Richtung Wunstorf.
Christoph 4 ist an das Unfall- und Rettungszentrum Niedersachsen in der MHH angebunden. Die Unfallchirurgische Klinik erhielt bereits 1970 mit Professor Dr. med. Harald Tscherne den ersten Lehrstuhl für Unfallchirurgie deutschlandweit. Die Klinik bietet auf der Basis intensiver wissenschaftlicher Forschungen auch heute unter seinem Nachfolger, Prof. Dr. Krettek das gesamte Spektrum der Unfallchirurgie auf höchstem Niveau. Christoph 4 war seit dem 2. Oktober 1972 nach München, Köln und Frankfurt die vierte und eigentlich letzte Station eines Projektes mit Förderung durch den Bund. Die Auswertung und Ergebnisse führten direkt anschließend zum Ausbau des Hubschraubernetzes in der Unfallrettung durch das BMI mit insgesamt 18, später 22 eigenen Stationen. Damit war der Grundstein für das heute flächendeckende System von insgesamt mehr als 80 Hubschraubern (einschl. SAR-Kommandos) verschiedener Betreiber für primäre und sekundäre Einsätze gelegt. Die enge Verzahnung vieler Stellen, insbesondere zwischen den Beteiligten der JUH und der MHH, stellt ein etabliertes und bewährtes System sicher. Durch Projekte im medizinischen Bereich erfährt die fachliche Arbeit auch international Bedeutung und Beachtung.
Noch im August soll ein weiterer neuer Hubschrauber (D-HZSE) am Luftrettungszentrum Christoph 13 in Bielefeld im regulären Flugbetrieb eingesetzt werden. Die offizielle Übergabeveranstaltung ist für den 6. September 2007 am Standort Städtische Kliniken Bielefeld gGmbH, Klinikum Rosenhöhe, geplant.
Artikel, Fotos: Ulrich Schröer, Freier Fachjournalist, Bonn