Seit Januar 2016 durchlaufen ausgebildete Polizeivollzugsbeamte von der Bundespolizei und aus den Polizeien der Länder den 37. Lehrgang der Luftfahrerschule für den Polizeidienst zur Ausbildung von Pilotinnen und Piloten sowie Flugtechnikerinnen und -technikern an der Luftfahrerschule für den Polizeidienst in Sankt Augustin-Hangelar. Der hierbei fast letzte große Schritt innerhalb der letzten Ausbildungsphase ist die polizeitaktische Aus- und Fortbildung. Diese soll die zuvor geschulten polizeitaktischen Inhalte in unterschiedlichen Einsatzräumen vertiefen und sieht auch die Einweisung der Besatzungen in die Verfahren des Fliegens im Verband vor.
Kurz vor dem Abschluss des noch laufenden Lehrgangs wurden in zwei Phasen noch einmal hohe Anforderungen an die 20 angehenden Piloten und 4 Flugtechniker gestellt.
Taktikausbildung
Über mehrere Tage hinweg startete ab dem 25. September 2017 der Lehrgang von Hangelar aus zu einer Übung mit dem Schwerpunkt auf fliegerisch taktischen Inhalten.
Die Flugplanung sah im norddeutschen Raum die Plätze Wunstorf, Hamburg, Fuhlendorf, Rostock-Laage, Neustrelitz, Blumberg, Halle/Oppin, Fuldatal und als Schlusspunkt am 29. September 2017 wieder in Sankt Augustin vor.
Piloten trainieren im Gebirge
Daran anschließend fand in den vergangenen zwei Wochen für den Ausbildungslehrgang als echter Kontrast zu den fliegerischen Anforderungen in norddeutschen Raum das mehrtägige und besonders anspruchsvolle Gebirgsflugtraining im süddeutschen Raum statt. Als Ausgangsbasis für die rund 50 Angehörigen von Bundes- und Landespolizei diente wieder die Bundespolizei-Fliegerstaffel in Oberschleißheim bei München. Von dort wurden die täglichen Außenlandeplätze an der Justizvollzugsanstalt in Bernau am Chiemsee, sowie der Segelflugplatz des Luftsportvereins Füssen e.V. und das Segelflugzentrum Ohlstadt, dem Sitz der Werdenfelser Segelflieger, in Pömetsried bei Murnau am Staffelsee, angeflogen. Bereits zum G7-Gipfel in Elmau 2015 hatte die Bundespolizei den Flugplatz Pömetsried als Dreh- und Angelpunkt für die Hubschrauber genutzt und auch 2016 während der Gebirgsflugausbildung angeflogen.
Vom Watzmann in den Berchtesgadener Alpen bis hin zu Deutschlands höchster Erhebung, der Zugspitze im Wettersteingebirge, konnte dem fliegerischen Personal ein breites Spektrum an Trainingskulissen mit verschiedenen Einsatzhöhen ermöglicht werden. Neben Formationsflügen wurden vor allem Anflugverfahren und Landungen auf Berggipfeln zwischen 5.000 und 10.000 Fuß trainiert. Nicht nur die Verringerung der Luftdichte in der Höhe, sondern zusätzliche Fall- und Aufwinde stellen dabei an die Besatzungen und das Fluggerät besonders hohe Anforderungen.
Zudem ist das Fliegen im Gebirge mit weiteren Herausforderungen und Gefahren verbunden, die es abzuschätzen gilt. So können Segel- oder Gleitschirmflieger bei der Aufwindsuche an einer Hangkante, fast unsichtbare erscheinende Kabel von Materialseilbahnen oder schnell wechselnde Wetterbedingungen ein erhöhtes Risiko in dem Gebirgsflug darstellen. Die jungen Besatzungen lernen mit diesen Informationen umzugehen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Insgesamt wurden insgesamt acht Airbus-Hubschrauber eingesetzt:
4 EC135 T2+ Flugdienst der Bundespolizei
1 EC135 P3 Polizeihubschrauberstaffel Bayern
je 1 EC145/H145 der Landespolizeifliegerstaffeln Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie der Polizeihubschrauberstaffel Baden-Württemberg
Zusätzlich kam eine AS332L1 Super Puma zum Einsatz. Die EC135 T2+ (D-HVBX) der BPOL war mit Lasthaken und Außenwinde ausgestattet und diente so den erforderlichen Berechtigungsnachweisen zum Fliegen mit Außenlasten. Sie ist eine von insgesamt drei Hubschraubern dieses Typs in der Flotte der Bundespolizei, die zu Schulungszwecken mit Windenbeschlägen ausgestattet und deren obere Trittschiene des Landegestells deswegen eingeschwenkt ist.
Mit den Gebirgsflügen geht für alle unvergesslich mit besonders eindrucksvollen Bildern und Eindrücken trotz der hohen Anforderungen die lange Zeit der Ausbildung dem Ende entgegen. Nicht immer werden die Piloten später noch einmal in derartiger Umgebung fliegen können. Die erfolgreichen Lehrgangsteilnehmer werden in der feierlichen Übergabe der „Schwinge“ am 26. Oktober 2017 zum Abschluss dieses Pilotprojektes nach der auf 20 Monate verlängerten Ausbildungszeit vom „Fußgänger“ zum „Piloten“. Mit der Lizenzübergabe werden die Beamten/-innen im Anschluss in einer der vier Bundespolizei-Fliegerstaffeln, dem Luftfahrtbetrieb der Fliegergruppe und in den Staffeln der entsendenden Polizeien der Länder als integrativer Bestandteil der Inneren Sicherheit und verlässlicher Freund und Helfer aus der Luft einen großen Beitrag für die Bevölkerung leisten.
Es folgt dann die weitere polizeitaktische Ausbildung, z.B. Fliegen mit Nachtsichtgeräten, mit Außenlasten, zur Einsatzführung aus der Luft.
Luftfahrerschule für den Polizeidienst
Nach einer aktuellen Umstrukturierung gehört die Luftfahrerschule für den Polizeidienst (kompliziert abgekürzt LFSfPD) zusammen mit dem Luftfahrtbetrieb und dem Instandhaltungsbetrieb zur Bundespolizei-Fliegergruppe mit Sitz in Sankt Augustin. Diese gehört seit Neuestem zur Bundespolizeidirektion 11 des BPOL-Präsidiums.
Die Zahlen der Luftfahrerschule sprechen für sich. In über 60 Jahren hat sie in bisher 37 Grundausbildungslehrgängen die fliegerische Grundschulung für etwa 1.000 Piloten und Flugtechniker durchgeführt. Hinzu kommen Einweisungen von 140 Piloten im Instrumentenflug, von 1.500 Piloten und Flugtechnikern sowie von 400 Hubschraubermechanikern in für sie neue Hubschraubermuster, das Fliegen mit Nachtsichtgeräten für 500 Piloten und Flugtechniker, die Ausbildung von 300 Hubschraubermechanikern sowie von etwa 30 Fluggerätmechanikern, Avionikern und Logistikern.
Das im Jahr 2009 umgesetzte Modell einer gemeinsamen Luftfahrerschule für den Polizeidienst bietet den Staffeln der Länder genauso wie dem Flugdienst der Bundespolizei erhebliche Vorteile. Das einheitliche Aus- und Fortbildungsniveau des fliegenden Personals sowie die Entwicklung und Gewährleistung einheitlicher Aus- und Fortbildungsstandards verbessern das Zusammenwirken im polizeilichen Einsatz.
Hauptaugenmerk gilt dabei der Standardisierung für das gesamte Personal der Polizeiflugdienste in Deutschland. Daher werden nach der Grundschulung die für die weitere Aus- und Fortbildung erforderlichen Hubschrauber von den Bundespolizei-Fliegerstaffeln, dem Luftfahrtbetrieb der Fliegergruppe sowie den Polizeiflieger- und -hubschrauberstaffeln der Länderpolizeien zur Verfügung gestellt. Die Länder entsenden Lehrpersonal aus eigenen Reihen.
Wenn es die Terminplanung zulässt, werden die Ausbildungsvorhaben zu Präsentationszwecken und der Nachwuchsgewinnung genutzt, so zum Beispiel 2016 beim Tag der Bundeswehr im Internationalen Hubschrauber-Ausbildungszentrum in Bückeburg oder beim Flugplatzfest in Pömetsried.
Diese abgestimmte Art und Weise hat sich bereits bewährt. Nicht nur im alltäglichen Einsatz kommt es zur übergeifenden Zusammenarbeit. Auch bei besonders großen Einsatzlagen spielt die enge Abstimmung eine wichtige taktische Rolle. Das hat sich in der Vergangenheit bei großen und anspruchsvollen Einsätzen gezeigt. Erinnert werden muss dabei an den G7-Gipfel im Juni 2015 auf Schloss Elmau und den G20-Gipfel in Hamburg im Juli diesen Jahres.
Für die fliegerische Grundausbildung nutzt die Luftfahrerschule in der ersten Phase sechs als Schulungshubschrauber beschaffte EC120B „Colibri“. Ob die in den nächsten Jahren besonders hohe Pensionierungsquote bei den Piloten der BPOL zu einer Erhöhung der Ausbildungskapazität und damit einhergehend zu einer Aufstockung der Schulungshubschrauber führt, bleibt abzuwarten.
Mitte 2014 wurde in Hangelar ein Neubau eingeweiht. Hörsäle und Schulungsräume mit einem interaktiven Lern-, Unterrichts- und Trainingssystem (ILUT) und aktueller Technik sowie ein großes Audimax ermöglichen zeitgemäße Schulung. Neue Büros, Briefingräume und Aufenthaltsbereiche ergänzen die moderne Infrastruktur.
Ganz besonders stolz ist die Bundespolizei auf das Flugsimulationszentrum mit drei Frasca-Verfahrenstrainern für die Muster EC135, EC155 und AS332 Super Puma im Erdgeschoss. Dort spielt sich ein großer Teil der Pilotenaus- und fortbildung des fliegenden Personals ab.
Auch international ist die Luftfahrerschule gut aufgestellt. Seit 2007 ist die Luftfahrerschule für den Polizeidienst im Rahmen des FRONTEX Air Crew Training Project verantwortlich für den Flugbetrieb bei Nacht mit Nachtsichtgeräten und hat Personal aus zwölf Ländern für NVG (Night Vision Goggle) ausgebildet. Bilaterale Abkommen mit mehreren Ländern zur Fortbildung für einzelne Hubschraubermuster unterstreichen die Absicht, insbesondere auf der Arbeitsebene zu einer echten Zusammenarbeit zu kommen.
Copterweb.de wünscht allzeit „Many happy landings“ und weiterhin viel Erfolg für zukünftige Ausbildungsmaßnahmen.
Autor Bericht „Piloten trainieren im Gebirge”: Patricia Baumeister
Autor: Ulrich Schröer, Freier Fachjournalist, Bonn