Seit nunmehr 30 Jahren ist „Christoph 31“ in Berlin im Einsatz, um verletzten oder kranken Menschen zu helfen. Am 13. Oktober 2017 feierte die Station 30. Geburtstag. Im Hangar des Jubilars fand ein Presse- und Fototermin statt. Zu den Gesprächspartnern standen Torsten Akmann, Staatssekretär für Inneres und Sport Berlin, Frédéric Bruder, Geschäftsführer der ADAC Luftrettung gGmbH, Prof. Dr. Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie die Crew von „Christoph 31“ zur Verfügung.
Rückblick auf eine besondere Geschichte
Der Hubschrauber ist schon über Berlin geflogen, als die Stadt noch geteilt war. Die besondere Geschichte von „Christoph 31“ beginnt offiziell am 13. Oktober 1987. An diesem Tage hob „Christoph 31“ erstmals zu Rettungsflügen ab. Die Luftrettung in Berlin beginnt für die damaligen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland mit bis dahin rund 30 Hubschrauberstandorten für die zivile Luftrettung erst recht spät. Einer der Gründe für die späte Indienststellung eines zivilen Hubschraubers in Berlin war u.a. die damalige Teilung der Stadt und des damit verbundenen besonderen politischen Status. „Christoph 31“ musste bis zur Wiedervereinigung Deutschlands unter amerikanischer Flagge, einer entsprechenden Lizenz (der ADAC kooperierte mit der US-amerikanischen Gesellschaft „OMNIFLIGHT Airways Inc.“), einer amerikanischen Kennung (N4573T) und amerikanischen Piloten fliegen. Die Anfänge bzw. Versuche, einen Rettungshubschrauber in Berlin einzusetzen, gehen jedoch bis in die siebziger Jahre zurück. Schon damals versuchte der ADAC nach dem Vorbild anderer Bundesländer einen RTH in Berlin zu stationieren. Aber selbst Vorschläge, Anregungen und Rettungsübungen mit Militärhubschraubern brachten noch keinen Erfolg. Erst Mitte der achtziger Jahre kam wieder Bewegung in den Versuch, die Luftrettung auch nach Berlin zu bringen. Wie so oft, waren u. a. ein drastischer Anstieg der Verkehrsunfallzahlen und die Auswertung entsprechender Statistiken die Gründe.
1987 war es aber dann soweit, auch Berlin war nun in die Luftrettung eingebunden. Der Hubschrauber sollte vorerst bis März 1988 auf Probe eingesetzt werden. Am 14. Juni 1988 gab der Berliner Senat in einem Beschluss dann grünes Licht für den weiteren Einsatz in der Berliner Luftrettung. Roger Gore und Charles Roberts waren zwar die beiden erfahrenen Piloten der ersten Stammbesatzung. Ross Johannes und Gary Dean McKinney waren dann jedoch die beiden Piloten, die viele Jahre den Berliner Hubschrauber geflogen sind. McKinney, liebevoll auch „Mr. Christoph 31” genannt, flog den Berliner Hubschrauber sogar mit einer kurzen Unterbrechung rund 25 Jahre. Er kam in den 70er Jahren als Militärpilot nach Deutschland und wechselte dann als Pilot des RTH ans Klinikum Steglitz im US-amerikanischen Sektor der geteilten Stadt.
Der Luftraum beschränkte sich bis zum Mauerfall zunächst auf ein Gebiet von etwa 488 Quadradkilometern, nämlich dem damaligen „West-Berlin“. Bei diesem Teil handelte es sich um die durch die drei westlichen Alliierten kontrollierten Sektoren. Die ersten Besatzungen mussten sich also erstes mit den Besonderheiten im Alltag eines Rettungshubschraubers einer geteilten Stadt vertraut machen. Zum einen war das Fluggebiet recht klein und es musste auf die innerdeutsche Grenze geachtet werden. Ehe man überhaupt den ersten Einsatz flog, mussten sich beide Piloten von einem US-Militärpiloten acht Stunden in die Besonderheiten von Berlin einweisen lassen. Dazu wurden u.a. die Berliner Mauer und deren Verlauf präzise einstudiert, weiterhin gab es im Westberliner Stadtteil Tiergarten ein Überflugverbot über das russische Ehrenmal. Auch das Einfliegen in die drei Bereiche der Berliner Flughäfen Tegel, Gatow und Tempelhof war nur in Absprache mit der entsprechenden Flugsicherung möglich. Zum anderen erfolgten die Starts und Landungen in engen Häuserschluchten, auf Straßenkreuzungen und öffentlichen Plätzen. Im Vorfeld des ersten Rettungseinsatzes waren daher auch entsprechende Erkundungsflüge erforderlich. Diese begannen am 1. September 1987 und gingen bis zum 12. Oktober. Der Hubschrauber war bei diesen Flügen aber nicht im Einsatz und auch noch nicht für Rettungseinsätze ausgerüstet. Offizieller Dienstbeginn des „Christoph 31” ist daher der 13. Oktober 1987.
Der ehemalige Geschäftsführer der ADAC Luftrettung Gerhard Kugler beschrieb diesen Teil der deutschen Luftrettung in seinem Buch „ADACOPTER” mit folgenden Worten:
„An der Nahtstelle der deutschen Teilung
Auch West-Berlin sollte vom Nutzen der Luftrettung profitieren. Deshalb beauftragte der Senat den ADAC, eine Station am Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin zu installieren.
Der Luftraum über Berlin war nach dem Viermächte-Statut für deutsche Flugzeuge jedoch gesperrt und nur den Alliierten vorbehalten. Um das Projekt nicht daran scheitern zu lassen, suchte der ADAC sich deshalb in den USA ein in der Luftrettung erfahrenes Helicopterunternehmen.
Mit Billigung des amerikanischen Stadtkommandanten von Berlin, der US-Botschaft und des Auswärtigen Amtes in Bonn schloss der ADAC einen Vertrag mit der in Charleston, South Carolina, beheimateten Firma OMNIFLIGHT. Der vom ADAC beschaffte Rettungshubschrauber erhielt eine amerikanische Zulassung und erreichte Anfang September 1987 auf dem Landweg per Speditionsfracht West-Berlin.
OMNIFLIGHT nahm am 13. Oktober 1987 mit eigenem Personal den Flugbetrieb von »Christoph 31« auf. Besondere Sorgfalt wurde darauf gelegt, die amerikanischen
Piloten zu briefen, in dem von Mauer und Stacheldraht begrenzten Einsatzgebiet Grenzverletzungen unbedingt zu vermeiden.”
Als die Mauer dann am 9. November 1989 fiel, verhinderten zunächst noch bestehende Bestimmungen der Alliierten die Öffnung des Luftraums Berlin und des Umlandes für „Christoph 31“. Erst am 1. April 1990 erfolgte die Freigabe und „Christoph 31“ überflog zum ersten Mal den nun bedeutungslos gewordenen Grenzstreifen an der Waltersdorfer Chaussee. Am 20. April 1990 wurde das Einsatzgebiet nun auch offiziell erweitert, nachdem vorher bereits mehrere Probeeinsätze im ehemaligen Ost-Berlin und Umland geflogen wurden. Noch bis zum September 1992 flog „Christoph 31“ unter amerikanischer Flagge und im Namen der „OMNIFLIGHT Airways Inc.“.
Wissenswertes rund um die eingesetzten Maschinen und andere Besonderheiten
Der erste Hubschrauber selbst kam damals auch nicht in der Luft nach Berlin, sondern in Einzelteile zerlegt über die Transitautobahn. Es standen zwar verschiedene sogenannte Luftkorridore von und nach Berlin für die westlichen Alliierten zur Verfügung, diese waren jedoch in den Verhandlungen nach Kriegsende nur für Flugzeuge ausgehandelt worden. Aus diesem Grunde wurde der Straßentransport für die BO105 nötig. Im Hinblick auf die Belange einer Großstadt mit den bereits genannten Hindernissen erhielt die Maschine vom Typ MBB/Eurocopter BO105S ein um 25 Zentimetern höheres Kufenlandegestell. Auch mit der Umstellung auf eine deutsche Zulassung und später eine BO105 CBS-5 behielt man das höhere Landegestell für Berlin bei.
Da ein Ersatzhubschrauber in Berlin nicht zur Verfügung stand, wurden bei Ausfall des Hubschraubers wegen evtl. Reparaturen sowie auch nötigen Wartungsarbeiten Einsätze mit einem Notarztwagen gefahren. Dieser war dann mit den sonst auf dem Hubschrauber eingesetzten Rettungsassistenten und Notärzten besetzt. 1989 wurde „Christoph 31“ gleich zwei Mal innerhalb von vier Monaten unschuldig Unfallbeteiligter. Im Januar war es ein Müllfahrzeug der Berliner Stadtreinigung und im Mai ein Kleinlaster, der für einen mehrtägigen Totalausfall der Berliner Luftrettung sorgte.
Die erste und lange Zeit einzige in Berlin eingesetzte BO105S flog von 1987 bis September 1992 offiziell unter amerikanischer Flagge und dem amerikanischem Kennzeichen „N4573T“. Mit der jährlichen Überprüfung des Hubschraubers im September 1992 endete die Zusammenarbeit mit der „OMNIFLIGHT Airways Inc.“. „Christoph 31“ bekam eine deutsche Kennung („D-HEIM“) und flog nunmehr auch mit den schwarzen Buchstaben des ADAC an der Seite. „Christoph 31“ war nun „echter Berliner”!
Da die jährliche Überprüfung und der Wechsel auf die deutsche Zulassung einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nahm, wurden Rettungseinsätze im September 1992 erstmalig und bis heute auch als Ausnahme mit einer BK117 (D-HBND) der ADAC Luftrettung geflogen. Da den Berliner Piloten das entsprechende Type-Rating für dieses Muster fehlte, wurde die Maschine mit Gastpiloten des ADAC geflogen. Die Berliner Piloten waren jedoch bei allen Einsätzen dabei und flogen jeweils auf dem linken vorderen Sitz mit. Die Notärzte und Rettungsassistenten nahmen hingegen die hinteren Plätze ein. Für die Rettungsassistenten dürfte diese Zeit sicher ungewohnt gewesen sein, da sie ja sonst als HEMS Crew Member den Piloten im Bereich der Kommunikation und Navigation unterstützten. Ob der Wechsel auf eine BK117 für Berlin geplant war, sei dahingestellt. Die Abmaße und die größere Gewichtsklasse konnten damals nicht überzeugen und so gab es auch keinen Wechsel, die bewährte BO105 blieb.
Im November 2001 erfolgte dann in Berlin der Wechsel auf ein neues Hubschraubermuster. Die bisherige Bo105 wurde durch einen modernen Eurocopter EC135 P2 ersetzt. Dieser Hubschrauber ist leiser, schneller und geräumiger. Die erste in Berlin eingesetzte EC135 erhielt auch passend die Kennung „D-HBLN“. Die BO105 diente bis zur endgültigen Außerdienststellung bei der ADAC Luftrettung noch als BackUp und stand dafür am Flugplatz in Halle-Oppin bereit.
Die alte BO105 wurde übrigens im Jahr 2007 am Feuerwehrmuseum Berlin auf einen Denkmalssockel gehoben. Dazu erhielt die Maschine wieder das historische Originaldesign von 1987 und ist seitdem in der Berliner Straße ein spektakulärer Blickfang.
Wer sich für „Christoph 31” und seine Geschichte interessiert, kann ab dem 17. Oktober 2017 im Feuerwehrmuseum Berlin in Tegel eine Sonderausstellung zu Berlins ältestem Luftretter besuchen. In dieser Sonderausstellung wird die 30-jährige Geschichte des Berliner Rettungshubschraubers (RTH) dargestellt. Der Beginn unter alliierter Lufthoheit, die Erweiterung des Einsatzgebietes auf die damalige DDR (1990) und die stetige Modernisierung der Hubschrauber-Flotte werden mit Bildern und Texten illustriert.
Ein weiterer Höhepunkt erfolgte am 20. Juni 2002 mit der Einweihungsfeier des neuen Hangars. Musste doch bis dahin der Rettungshubschrauber täglich am Morgen vom Flughafen Tempelhof nach Berlin-Steglitz und am Abend wieder zu seinem Nachtquartier geflogen werden. Nicht nur der zusätzliche Lärm und die entsprechend höheren Kosten sind entfallen, auch kleinere Wartungsarbeiten konnten nun im Hangar kurzfristig erledigt werden. Der neue Hangar bot aber nicht nur dem Hubschrauber seinen eigenen Platz, sondern auch der Besatzung neue Sozialräume. Darüber hinaus war ab sofort eine integrierte Betankungsanlage vor Ort vorhanden.
Seit Januar 2009 flog die „D-HDEC“ als Stammmaschine in Berlin, die testweise mit dem Sandfilter Centrisep von Pall ausgestattet war. Die anderen EC135 der ADAC Luftrettung wurden seit 2010 schrittweise mit dem Sand- und Partikelfilter Inlet Barrier Filter (IBF) von Eurocopter ausgerüstet, der mit einem anderen Wirkprinzip als der Centrisep arbeitet. Die in Berlin eingesetzte EC135 D-HDEC war nicht nur wegen ihrer einmaligen Sandfilter aus der Erprobungszeit für unterschiedliche Systeme äußerlich auffällig. An ihr war das bislang einzige mittelhohe Kufenlandegestell montiert, mit dem weitergehende Erkenntnisse für zusätzliche Bodenfreiheit speziell für den Fenestron beim Einsatz in der Stadt gewonnen werden sollten.
Seit Juni 2012 fliegt nun als „Stamm-Maschine” die D-HBYH (SN: 0100). Es handelt es sich um einen der drei Hubschrauber, die die ADAC Luftrettung von der bayerischen Polizei übernommen hatte. Die EC135 P2 besitzt ein so genanntes Glascockpit (EFIS) sowie Inlet Barrier Filter (IBF), ist mit Autopilot und Wetterradar ausgerüstet und außerdem für den Betrieb für Night Vision Goggle (NVG) zugelassen. Erster Einsatzpilot auf dem neuen Hubschrauber war Gary Dean McKinney, das erfahrene “Urgestein” der Berliner Luftrettung. Wie die anderen Piloten und HEMS Crew Member (HCM) auch hatte er in der Woche zuvor in Leipzig eine ausgiebige Einweisung in den neuen Hubschrauber mit seinen Besonderheiten erhalten.
„Christoph 31 Bravo“
Wer sich für die Luftrettung interessiert, der weiß um die seit Jahren stetig gestiegenen Einsatzzahlen in Berlin. In den Jahren seit 1999 gab es kein Jahr mehr unter 2.000 Einsätze. Was für Berlin und das Umland eine schnelle Versorgung bedeutete, war lange Zeit für die jeweiligen Hubschrauber-Crews ein Fliegen an der Leistungsgrenze. Schon seit längerem wurde in diesen Jahren überlegt, wie man „Christoph 31“ entlasten könnte. Im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 wurde daher in Berlin von April bis Juni für rund drei Monate ein zweiter Rettungshubschrauber mit dem Namen „Christoph 31 Bravo“ am Bundeswehrkrankenhaus in Mitte stationiert. „Christoph 31 Bravo“ absolvierte in diesem kurzen Zeitraum zwar 595 Einsätze, für die dauerhafte Stationierung eines zweiten RTH in Berlin sahen die Verantwortlichen in Politik und bei den Krankenkassen jedoch keinen Bedarf. Als einer der Gründe wurde u.a. der am Unfallkrankenhaus Marzahn stationierte Intensivtransporthubschrauber „Christoph Berlin“ genannt, der im Bedarfsfall auch als Rettungshubschrauber ersatzweise zu Primäreinsätzen eingesetzt werden kann.
Die vorübergehende Stationierung wurde damals durch eine gemeinsame Initiative der ADAC Luftrettung, der Berliner Feuerwehr, der Berliner Charité und nicht zuletzt durch das Bundeswehrkrankenhaus Berlin möglich. Die eingesetzte Maschine war wie auch „Christoph 31“ eine EC135 und wurde ebenfalls von der ADAC Luftrettung gestellt. Die Piloten für „Christoph 31b“ kamen von der bisherigen Stamm-Maschine aus Berlin-Steglitz. Die medizinische Crew hingegen waren aus dem Bundeswehrkrankenhaus und der Berliner Charité. Entsprechende Kooperationen waren schon aus Hamburg, Koblenz und Ulm bekannt. Auf dem regulären „Christoph 31“ in Berlin-Steglitz flogen in dieser Zeit Piloten aus anderen ADAC-Stationen. Sie wurden von der bisherigen medizinischen Crew unterstützt. So konnten auch die bisher gemeinsam erworbenen Erfahrungen auf zwei Rettungshubschraubern genutzt werden. Nachts wurde die zweite EC135 übrigens auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel abgestellt. Der Hangar an der regulären RTH-Station hat nur Platz für einen Hubschrauber.
70.000 Einsätze von 1987 — 2017
Nachdem man schon im Juni 2011 den 50.000 Rettungsflug verzeichnen konnte, erfolgte nun im Jubiläumsjahr am 23. September 2017 um 16.35 Uhr schließlich der 70.000 Einsatz seit Bestehen der Berliner Luftrettungsstation. „Christoph 31“ ist der mit Abstand am häufigsten eingesetzte Rettungshubschrauber nicht nur in Deutschland, sondern sogar weltweit.
Weitere Fotos des Christoph 31 Berlin
Copterweb.de bedankt herzlich beim Werner Wolfsfellner MedizinVerlag, München für freundliche Unterstützung
Autoren:
Rolf Klukowski, Berlin
Werner Latten, Berlin