Orangene EC135 für Hamburg unter­wegs

Seit dem 4.Juli ist es lei­se über Hamburg: Neuer ZSH (D-HZSB) vom Typ EC135T2i löst die „alte” zuver­läs­si­ge Bell 212 ab.Das mar­kan­te Geräusch der Bell 212 über Hamburg ist ab dem 4. Juli 2007 ver­stummt. Seit der Übernahme des Flugbetriebes mit einem Zivilschutz-Hubschrauber (ZSH) des Bundesministeriums des Innern (BMI) im Januar 2006 hat­te die­ser leis­tungs­star­ke Hubschrauber mit der flie­ge­ri­schen Besatzung von der Bundespolizei-Fliegerstaffel (BPOL) Nord aus Fuhlendorf bei Bad Bramstedt die Notärzte und Rettungsassistenten des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg zuver­läs­sig an die Einsatzstellen gebracht. Die einen wer­den den unver­gess­li­chen „Sound” des Hubschraubers ver­mis­sen, ande­re wer­den sich über den gerin­ge­ren „Lärm” des Hubschraubers freu­en.

Christoph 29 kehrt vom Einsatz 992 zurück

Auch äußer­lich sind am Rettungszentrum die Veränderungen zu erken­nen: Zur Vorbereitung der anste­hen­den Baumaßnahmen für einen neu­en Hangar ist der Eingang zum Landeplatz ver­legt wor­den und auf dem Landedeck ist ein gro­ßes Tornado-Zelt errich­tet wor­den. Bis zum Frühjahr 2008 dient es als tem­po­rä­re Unterbringung für die EC 135, da sie mit ihrem Vierblatt-Rotor für den vor­han­de­nen Hangar, in dem die Huey und Bell 212 mit dem Zweiblatt-Rotor Platz hat­ten, nicht hin­ein passt. Der Beginn des Neubaus ist in Kürze zu erwar­ten. Auffällig sind die schwe­ren Betonplatten zur Sicherung des Zeltes gegen Downwash und star­ken Wind.

Der stell­ver­tre­ten­de Leiter der BPOL-Fliegerstaffel Nord, Torsten Hallmann, über­reicht den Stick an den Piloten Ralf Lenze.

Der Zivilschutz-Hubschrauber war schon vor eini­gen Wochen von der Firma Eurocopter Deutschland in Donauwörth an den Flugdienst der BPOL aus­ge­lie­fert wor­den. In der Zwischenzeit dien­te er zu Aus- und Fortbildungszwecken. So wur­den Mitte Juni die Rettungsassistenten des Bundeswehrkrankenhauses bei der BPOL-Fliegerstaffel Mitte in Fuldatal wie vor­ge­schrie­ben in einem zwei­wö­chi­gen Lehrgang zu HEMS-Crew-Membern (HCM) aus­ge­bil­det. Die EC 135 wird nur von einem Piloten geflo­gen, der Bordtechniker wie auf der Bell UH-1D oder der Fugtechniker der Bell 212 sind nicht mehr vor­han­den. Damit müs­sen ins­be­son­de­re Navigationsaufgaben zur Unterstützung des Piloten wahr­ge­nom­men wer­den.

In der Bell 212 befin­det sich die Trage quer zur Flugrichtung

Der Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses und Hausherr des Rettungszentrums, Oberstarzt Dr. Michael Zallet, begrüß­te zahl­rei­che gela­de­ne Gäste aus Politik, Behörden und Organisationen im Zelt. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, ließ in kur­zen Worten die Geschichte des „Florian Hamburg Rettungshubschrauber” SAR 71 und seit 19. Januar 2006 „Christoph 29” Revue pas­sie­ren. Mit dem neu­en ZSH unter­strei­che das BMI den gemein­sa­men Willen aller Beteiligten zum Einsatz in der Luftrettung. Es stellt den ori­gi­när für Zwecke des Zivil- und Katastrophenschutzes beschaff­ten Hubschrauber Hamburg für die Nutzung in der Luftrettung zur Verfügung.

Senator Udo Nagel, Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg, Generalarzt Dr. Arno Roßlau in Vertretung für den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und Bürgermeisterin Cornelia Schröder-Piller, Bezirksamtsleiterin Bezirksamt Wandsbek, ver­deut­lich­ten den hohen Einsatz der Bundeswehr mit SAR 71 über mehr als 30 Jahre Flugdienst (Leider war vom für den Flugbetrieb ver­ant­wort­li­chen Lufttransportgeschwader 63 kein Vertreter anwe­send). Im Rahmen der in Hamburg deut­li­chen Zivil-Militärischen Zusammenarbeit sind nun­mehr mit dem BMI und der BPOL ver­läss­li­che Partner vor­han­den, die einer­seits zum guten Ausbildungsstand der Rettungsassistenten und Notärzte der Bundeswehr bei­tra­gen, ande­rer­seits aber auch ohne Reibungsverluste die pro­fes­sio­nel­le und effek­ti­ve Luftrettung in Hamburg sicher­stel­len. Gerade durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr gewinnt das Krankenhaus bei der Versorgung von Verletzten, die von der Bundeswehr über den Flughafen Fuhlsbüttel ein­ge­flo­gen wer­den, immer mehr an Bedeutung. Die tra­di­tio­nell gute Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr ist für den boden­ge­bun­de­nen Rettungsdienst unver­zicht­bar gewor­den. Alle bedank­ten sich bei den Zuständigen für die gute und von hoher Motivation getra­ge­ne Arbeit und die ent­stan­de­ne Allianz.

Der Leiter der BPOL-Fliegergruppe, Leitender Polizeidirektor Gunter Carloff, stell­te die tech­ni­schen Besonderheiten der neu­en EC 135T2i in den Mittelpunkt sei­ner Ausführungen. Insgesamt sei der Hubschrauber einer der moderns­ten Rettungshubschrauber der Welt über­haupt. Bei rela­tiv gerin­gen Außenabmessungen bie­tet er einen geeig­ne­ten Raum für die medi­zi­ni­sche Besatzung und trans­por­tier­ten Patienten. Mit Hilfe der digi­tal gesteu­er­ten Triebwerke (FADAC) stel­len die Geräuschentwicklung und das Emissionsverhalten einen Vorteil dar. Der Hubschrauber ist der lei­ses­te sei­ner Klasse. Bereits seit ca. sie­ben Jahren sind die EC 135 im Flugdienst der BPOL mit hoher Zuverlässigkeit im Einsatz und ver­fü­gen über aus­rei­chen­de Leistungsreserven. Eine zusätz­li­che Leistungssteigerung ist durch die modi­fi­zier­te Variante „i” erzielt wor­den. Die im Cockpit ein­ge­setz­te Elektronik erleich­tert die Arbeit des Piloten und stellt damit zugleich einen Sicherheitsgewinn dar. Mit dem Kollisionswarnsystem TAS wer­den ande­re Luftfahrzeuge zuver­läs­sig und recht­zei­tig erkannt. Ein akti­ves Hinderniswarnsystem HELLAS basiert auf Lasertechnik. Es warnt den Piloten vor Hindernissen, z.B. Leitungen, Windräder oder Seilbahnen. Die BPOL ist der ers­te Betreiber, der die­se Einrichtung für den täg­li­chen Flugbetrieb in die Hubschrauber inte­griert hat.

Das digi­ta­le Navigationsgerät EuroNav IV mit dem gro­ßen Display im Glascockpit für ver­schie­de­ne gespei­cher­te Karten bedeu­tet einen Zeitgewinn zum schnel­len Auffinden der Einsatzstellen und eine Erleichterung für die Arbeit des HCM. Aufgrund der GPS-Koordinaten, die von der Leitstelle der Berufsfeuerwehr Hamburg als „Depesche” zusam­men mit dem Einsatzauftrag über­mit­telt wer­den, ist nach der Eingabe der Daten der anzu­flie­gen­de Ort kurz­fris­tig gefun­den. Unterwegs besteht die Möglichkeit, einen neu­en Einsatzort nach Voreinstellungen mit­tels der hin­ter­leg­ten Datenbank zur Eingabe von Straßennamen und Hausnummern eben­falls ohne Verzögerungen genau zu ermitteln.Symbolisch wur­de der neue ZSH von den Verantwortlichen durch die Weitergabe eines Sticks von Hand zu Hand sei­ner offi­zi­el­len Bestimmung über­ge­ben. Musikalisch wur­de die Veranstaltung durch den Reservistenmusikzug Hamburg beglei­tet. Am Abend brach­ten die gro­ßen Sender in ihren loka­len Ausstrahlungen Kurzreportagen über den Typenwechsel.
Für den Einsatz sowohl in der Funktion ZSH als auch RTH ver­fügt der Hubschrauber über einen Einbausatz, der als Schnellwechsel-Ausstattung kon­zi­piert ist. Dieser Satz ist inner­halb kur­zer Zeit ein- und aus­bau­bar. Er ent­hält für alle wich­ti­gen medi­zi­ni­schen Geräte spe­zi­el­le Halterungen und bleibt auch bei einem Maschinentausch in den Ersatzhubschrauber ein­ge­rüs­tet. Er passt auch in den Verbindungs- und Beobachtungshubschrauber EC 135 T2 der BPOL.

Als neue Ausstattung wird ein Defibrillator/Patientenmonitoring-Sytem Corpuls3 mit­ge­führt. Damit ist das Rettungszentrum eines der ers­ten, das die­ses neue Gerät in der Luftrettung ein­setzt. Der Hersteller hat erst im Januar 2007 die Freigabe zum Betrieb in Hubschraubern der Firma Eurocopter erhal­ten. Es ist als kom­plet­te Einheit in einer spe­zi­ell gefer­tig­ten und zuge­las­se­nen Bodenhalterung der Firma Air Ambulance Technology (AAT, Ranshofen/Österreich) unter­ge­bracht, kann aber auch bei Bedarf mit sei­nen getrenn­ten Komponenten genutzt wer­den. Dazu ist eine sepa­ra­te Halterung für die Aufnahme der Monitoreinheit vor­ge­se­hen. Die Daten wer­den mit­tels Bluetooth über­tra­gen.

Das Corpuls3 steht in einer Halterung auf dem Boden

Die Feierstunde wur­de um 11:37 Uhr kurz unter­bro­chen, als die Bell 212 zum 992. geflo­ge­nen Einsatz in die­sem Jahr star­te­te. Nach der Rückkehr nahm die Besatzung mit Pilot Matthias Kares, Flugtechniker Stefan Haus, Notarzt Dr. Gerhard Hölldobler und Rettungsassistent Michael Kansy Abschied vom Hubschrauber. Schnell wur­den die not­wen­di­gen Teile der medi­zi­ni­schen Ausstattung in den neu­en Hubschrauber umge­räumt. Bereits kurz nach der Meldung über die wie­der her­ge­stell­te Einsatzbereitschaft star­te­te Pilot Ralf Lenze mit der EC 135 zum ers­ten Mal als Christoph 29 um 12:59 Uhr in den Einsatz Nummer 993 zu einem inter­nis­ti­schen Notfall nach Niendorf. Direkt mit dem Aufsetzen nach der Rückkehr auf den Landeplatz am Krankenhaus folg­te Einsatz 994 zu einer „Person im Wasser”. Wehmütig über­führ­te die Besatzung der Bell 212 ihren Hubschrauber am Nachmittag in die Staffel.

Die letz­te Besatzung der Bell 212: (v.l.): Pilot Matthias Kares, RettAss Michael Kansy, Notarzt Dr. Gerhard Hölldobler, Flugtechniker Stefan Haus

Seit der Indienststellung der EC 135 am 4. Juli 2007 sind mehr als 60 Einsätze geflo­gen wor­den. Bislang zei­gen sich die ein­ge­setz­ten Notärzte und Rettungsassistenten mit der medi­zi­ni­schen Ausstattung und dem Hubschrauber zufrie­den, obwohl er öfter als vor­her die Bell 212 zum Tanken muss.

Die EMS-Ausstattung befin­det sich an ihrem Platz

Beeindruckend sind auch die aktu­el­len Zahlen der Einsätze am Rettungszentrum: Bis zum 4. Juli waren für 2007 ins­ge­samt 1.030 Alarmierungen für den Hubschrauber zu ver­zeich­nen, davon von Montag bis Mittwoch allein 10. Es ist zu erwar­ten, dass bis zum Jahresende 2007 eine ähn­lich hohe Zahl wie 2006 (2.058) erreicht wer­den kann. In der Gesamtzahl kom­men SAR 71 / Christoph 29 seit Beginn der Luftrettung in Hamburg auf mehr als 52.350 Alarmierungen. Auch das zwei­te wich­ti­ge Rettungsmittel, der NAW des Bundeswehrkrankenhauses, hat hohe Zahlen zu ver­zeich­nen: 1.986 Alarmierungen in 2006 und bis zum 4. Juli 2007 schon 1.945. Mit einer Gesamteinsatzzahl der bei­den not­arzt­be­setz­ten Einrichtungen von 117.224 bis zu die­sem Tag stellt das Rettungszentrum sei­ne Einsatzbereitschaft zur Rettung von Menschenleben ein­drucks­voll unter Beweis.

Die EC 135 kehrt von ihrem ers­ten Einsatz zurück

Wie zum Abschied erklang am spä­ten Nachmittag ein ver­trau­tes Geräusch am Himmel, so als wenn „Anneliese” noch ein­mal zurück­kom­men wür­de. Es war der SAR 81 mit einem Patienten. Allerdings war die Huey nicht von ihrem übli­chen Stationierungsort in Laage bei Rostock aus zu dem Verlegungsflug gestar­tet, son­dern aus dem Lufttransportgeschwader 63 (LTG 63) in Hohn bei Rendsburg. Von dort stell­te das LTG vor­über­ge­hend anstel­le der „See Könige” des Marinefliegergeschwaders in Kiel-Holtenau den SAR-Dienst für die Küsten- und Seegebiete sicher. Die Bell UH-1D war hier­für mit Floats aus­ge­stat­tet und die Besatzung trug die obli­ga­to­ri­schen Schwimmwesten für den mög­li­chen Einsatz über dem Wasser.

Der „neue” Christoph 29 kehrt aus dem Einsatz zurück

D-HZSB star­tet zum 994. Einsatz

SAR 81 hat einen Patienten gebracht

Artikel, Fotos: Ulrich Schröer, Freier Fachjournalist, Bonn

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