Am 29. September 1970 wurde mit der Taufe von „Christoph“ (die Nummerierung erfolgte erst später, der damalige Funkrufname war „Christoph Rotkreuz Bayern 4”) der Grundstein für die heutige Luftrettung in Deutschland gelegt. Das Bundesverkehrsministerium, das Bayerische Staatsministerium des Innern und die Allianz-Versicherung ermöglichten dem ADAC die Anschaffung des ersten Rettungshubschraubers: eine BO 105 A mit der Kennung D-HILF flog erstmalig am 1. November 1970 im Rettungsdienst von ihrem Standort am Städtischen Krankenhaus München-Harlaching aus.
Als einer der Pioniere der Luftrettung in Deutschland gilt Gerhard Kugler, erster Geschäftsführer der ADAC Luftrettung. Er war zusammen mit Dr. Hans Burghart (ehem. Vorsitzender des BRK Kreisverband München und erster Leitender Hubschrauberarzt von „Christoph 1”) maßgeblich am Aufbau des Luftrettungssystems in Deutschland beteiligt. Mit seinem Engagement hat er nicht nur im ADAC e.V., sondern auch in Deutschland und im Ausland den Weg für den Auf- und Ausbau der Luftrettung geebnet. Für seine Verdienste wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Auch Dr. Erwin Stolpe, langjähriger Leitender Hubschrauberarzt von „Christoph 1” und Medical Director der ADAC Luftrettung prägte in den mehr als 30 Jahren seiner Tätigkeit die Entwicklung der Luftrettung nachhaltig. Politische Unterstützung leisteten damals Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundesverteidigungsminister Georg Leber sowie der spätere ADAC Präsident Franz Stadler.
Gut ein Jahr später, am 2. November 1971, , wurde ein Rettungshubschrauber der Bundeswehr vom Typ Bell UH-1D mit dem Rufnamen „SAR Ulm 75“ am heutigen Bundeswehrkrankenhaus in Ulm in Dienst gestellt.
Im Dezember 1971 begann der Rettungsdienst des ersten Zivilschutz-Hubschraubers des heutigen „Christoph 3“ in Leverkusen. Der Standort wurde aber schnell nach Köln verlegt.
Es folgten im August 1972 „Christoph 2“ in Frankfurt. Im März 1972 nahm die Deutsche Rettungsflugwacht e.V. mit einer Alouette III am Standort Stuttgart ihren Betrieb auf.
Bereits im März 1975 existierten 16 Luftrettungsstandorte von 4 verschiedenen Betreibern in der Bundesrepublik Deutschland.
Es hätte auch anders kommen können. Am 17. August 1971 stand die Zukunft der Luftrettung nach dem tragischen Absturz des im Einsatz befindlichen „Christoph 1“ auf der Kippe. Der Hubschrauber war im Einsatz zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein kleiner Junge verletzt worden war. Bei der Landung streifte der Heckrotor die Wiese, wobei die Heckrotorwelle brach. Wegen des fehlenden Heckrotors begann der Hubschrauber zu kreiseln. Dabei wurde der Notarzt, der sich bereits abgeschnallt und die Seitentür geöffnet hatte, aus dem Hubschrauber geschleudert und dabei getötet, Rettungsassistent und Pilot wurden verletzt. Kritiker der Luftrettung forderten nach diesem Ereignis die Einstellung des Modellversuches und die Weiterentwicklung der Luftrettung.
50 Jahre sind mittlerweile vergangen und die Kritiker der Luftrettung haben nicht Recht behalten. Das Luftrettungsnetz in Deutschland ist heute nahezu flächendeckend ausgebaut und mehr als 80 Rettungs- sowie Intensivtransporthubschrauber verschiedener Betreiber sind täglich in der öffentlich-rechtlichen Luftrettung unterwegs, um Menschen schnelle Hilfe aus der Luft zu bringen. Dabei steht nicht der Transport von Patienten im Vordergrund: vielmehr soll der Notarzt schnell an den Einsatzort gebracht werden. Denn bei einem Primäreinsatz muss der Hubschrauber schon innerhalb von 2 Minuten nach der Alarmierung in der Luft sein.
Ein weiterer Meilenstein war die Indienststellung von „Christoph 31“, der seit dem 13. Oktober 1987 in dem damals noch geteilten Berlin stationiert ist. Er erreichte auch entlegene Einsatzorte in 8 Minuten von seinem Stützpunkt an der Charité Campus Benjamin Franklin aus. Die damals eingesetzte BO 105 wurde, auf Grund des 4-Mächte-Status, nicht geflogen, sondern kam mit dem LKW über die Transitautobahn nach Berlin. Aus dem gleichen Grund wurde „Christoph 31“ damals auch von der amerikanischen Firma „OMNIFLIGHT Airways Inc.“ betrieben und mit amerikanischen Piloten geflogen. Diese hatten peinlich genau darauf zu achten, dass sie die Grenze nach Ost-Berlin nicht verletzten. Einige Tage nach der Grenzöffnung 1989 landete Christoph 31 das erste Mal in Ost-Berlin, um notleidenden Menschen zu helfen. 2001 wurde die BO 105 gegen den in der Luftrettung meisteingesetzten Hubschrauber vom Typ Eurocopter EC135 ersetzt. „Christoph 31“ ist heute mit über 3.000 Einsätzen im Jahr der meisteingesetzte Rettungshubschrauber der Welt.
Nach der Maueröffnung 1989 und der Wiedervereinigung 1990 wurde die Luftrettung, so wie man sie heute kennt, in den neuen Bundesländern etabliert. 10 Luftrettungszentren in Rostock, Greifswald, Pritzwalk, Prenzlau, Magdeburg, Senftenberg, Dresden, Leipzig, Zwickau und Erfurt wurden aufgebaut. Einige dieser Stationen gibt es heute nicht mehr, aber weitere Standorte wurden errichtet, so dass auch in den neuen Bundesländern eine nahezu flächendeckende Luftrettung existiert.
Bis zum 1. Juli 2006 existierten auch Rettungszentren, die von der Bundeswehr mit ihren Hubschraubern für den zivilen Rettungsdienst besetzt waren, jedoch zog sich die Bundeswehr nach und nach aus der zivilen Luftrettung zurück. Hiervon betroffen war auch der aus der ZDF-Fernsehserie „Die Rettungsflieger“ bekannte „SAR Hamburg 71“ am Rettungszentrum Bundeswehrkrankenhaus Hamburg in Wandsbek. Der Flugbetrieb wurde am 19. Januar 2006 an das Bundesministerium des Innern übergeben. Als „Christoph 29“ wird dort ein Zivilschutz-Hubschrauber mit Piloten der Bundespolizei eingesetzt. Das medizinische Personal kommt weiterhin vom Bundeswehrkrankenhaus. Mit der Übergabe der Station des „SAR 93“ in Neustrelitz an die ADAC-Luftrettung gGmbH stellte die Bundeswehr am 1. Juli 2006 ihr maßgebliches Engagement in der zivilen Luftrettung nach insgesamt 35 Jahren endgültig ein. Die SAR-Hubschrauber werden heute nur noch im Rahmen der dringenden Eilhilfe, z. B. bei Unfällen mit vielen Verletzten, von den zivilen Leitstellen angefordert.
Die 50 Jahre Luftrettung haben es bestätigt. Die Luftrettung in Deutschland ist heute unverzichtbarer Teil des Rettungsdienstes. Auch in der Off-Shore-Rettung sind Hubschrauber unverzichtbar. Sie bringen die Notärzte zu den Windparks in Nord- und Ostsee und können Verletzte oder Kranke transportieren.
Allen Piloten, Notärzten und HEMS-TC’s, die in der Luftrettung tätig sind, gilt der Dank der Bevölkerung, dass sie unter teilweise widrigen Umständen zu lebensrettenden Einsätzen fliegen. Es ist gut zu wissen, dass es sie gibt,
Copterweb.de wünscht der deutschen Luftrettung zum 50. Bestehen alles Gute. Danke für die bisher geleistete Arbeit und many happy landings!
Autor: Werner Latten, Berlin
Quellen: Presseportal.de, Homepage des Christoph 1, Pressemitteilung der ADAC Luftrettung