Im Rahmen einer Pressekonferenz zu Reformvorschlägen der Regierungskommission zum Rettungsdienst besichtigte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach am 7. September 2023 die ADAC Luftrettungsstation „Christoph 31” in Berlin. Hintergrund für den Besuch und die Besichtigung war die Vorstellung der Ergebnisse der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ zum Thema „Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland: Rettungsdienst und Finanzierung“ durch Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach und Prof. Rajan Somasundaram (Ärztlicher Leiter der Notaufnahme am Charité Campus Benjamin Franklin und Mitglied der Regierungskommission).
Vor Beginn der Pressekonferenz stieg Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach aber zunächst in einen ADAC-Rettungshubschrauber und ließ sich im Cockpit von Pilot und Stationsleiter Nico Hellmann den Heli zeigen. Lauterbach war sichtlich an der Luftrettung interessiert und Nico Hellmann beantwortete diverse Fragen zum Heli und den Einsätzen. Danach ging es zu einer kurzen Hangar-Führung.
Informationen zur Station
„Christoph 31“ wurde im Jahr 1987 vom ADAC in Dienst gestellt und hat seither unfallfrei viele tausend Menschen in Berlin und Brandenburg nicht nur notfallmedizinisch versorgt, sondern auch vielen davon das Leben gerettet. Der Hubschrauber und seine Crew sind von Sonnenaufgang, frühestens 7 Uhr, bis Sonnenuntergang einsatzbereit. In technischer Hinsicht und vor allem auch in puncto Flug- und Patientensicherheit gewährleistet „Christoph 31“ bislang Luftrettung auf höchstem Niveau. Die seit August 2020 und bis vor kurzem eingesetzte Maschine des Typs H135 von Airbus Helicopters ist mit seiner umfangreichen und innovativen Ausstattung einer der modernsten und sichersten Hubschrauber seiner Größenklasse.
Einsatzgründe sind meist schwere internistische oder neurologische Erkrankungen. Häufig sind auch Freizeit-, Arbeits- und Verkehrsunfälle die Einsatzursache. Die Crew von „Christoph 31“ besteht aus Piloten und Notfallsanitätern (Fachbegriff TC HEMS) der ADAC Luftrettung, während die Notärzte von der Charité am Campus Benjamin Franklin in Steglitz kommen.
Die gemeinnützige ADAC Luftrettung betreibt mehr als 50 Rettungshubschrauber an 37 Stationen. Berlin ist dabei die Station, die lange regelmäßig neue Rekordmarken setzte. Von den bis heute mehr als 1,1 Millionen Einsätzen der ADAC Luftrettung erfolgten allein in Berlin rund 85.000 Alarmierungen. Damit zählt „Christoph 31“ zu den meisteingesetzten Rettungshubschraubern der Welt.
Regierungskommission legt Rettungsdienst-Konzept vor — Lauterbach: Brauchen klarere Strukturen
Einheitliche Vorgaben zu Organisation, Leistungsumfang, Qualität und Bezahlung des Rettungsdienstes fordert die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“. „Erreicht werden soll eine transparente, qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte patientenzentrierte präklinische Notfallversorgung nach bundesweit vergleichbaren Vorgaben; das dient zugleich dem Ziel von Qualität und Wirtschaftlichkeit“, heißt es dazu in der Neunten Stellungnahme und Empfehlung der Kommission.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach sagte dazu: „Unser Rettungsdienst braucht dringend eine Reform und klare Strukturen: einheitliche Standards, mehr Befugnisse, eine sinnvolle Vergütungssystematik. Deshalb ist es wichtig, dass die Regierungskommission dazu jetzt Empfehlungen vorgelegt hat. Diese Überlegungen werden wir in unsere Reformpläne einfließen lassen, wie wir das auch in anderen Reformfeldern tun. Im Notfall muss der Rettungsdienst schnell und zielgenau helfen. Die Notfallversorgung darf nicht weiter selbst ein Reformnotfall bleiben.“
Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen
- Regelung des Rettungsdienstes im SGB V
Der konkrete Leistungsanspruch soll in einer eigenständigen Norm im Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt werden. Berücksichtigt werden sollen dabei die Leistung der Leitstelle, die Notfallversorgung vor Ort, der Notfalltransport um komplementäre Notfallversorgungsnagebote, wie z.B. pflegerische Notfallversorgung oder psychiatrisch-psychosoziale Krisenintervention.
- Mehr Transparenz und bessere Qualitätssicherung
Festgelegt werden sollen Vorgaben für Mindestpersonalausstattung, Qualifikation und Weiterqualifizierung, Rettungsmittel.
- Einheitliche Qualitätsstandards
Die Anforderungen an Struktur-, Prozess- und soweit möglich Ergebnisqualität sowie die Qualifikation des eingesetzten Personals in Leitstellen und der Notfallrettung sollen länderübergreifend vereinheitlicht werden. Anzustreben ist die Etablierung eines Notfallversorgungsregisters mit Kerndaten zu KV-Notdienst, Rettungsdienst, Notaufnahmen, Notfallzentren.
- Digitales Ressourcenregister
Um Patienten besser steuern zu können soll ein digitales Echtzeit-Register über vorhandene Ressourcen aufgebaut werden.
- Leitstellen-Organisation
Die Bundesländer sollen die Koordinierung des Rettungsdienstes straffen. Richtwert ist dafür eine Leitstelle pro ca. 1 Mio. Einwohner.
- Personalmanagement
Die Befugnisse von Notfallsanitäterinnen und -sanitätern soll ausgeweitet werden (Medikamentengabe, invasive Maßnahmen).Besonders qualifizierte Notfallsanitäterinnen und -sanitäter sollen mit eigener fachgebundener Heilkundebefugnis („advanced paramedic practitioner“, Bachelor/Master-Niveau) den jetzigen Notarztdienst substituieren und die ärztlichen Spezialressourcen nur bei Bedarf anfordern müssen.
Notärztinnen und Notärzte sollen nur in besonders komplexen Fällen eingesetzt werden.
- Notfallversorgung in ländlichen Regionen
Für eine hochwertige Notfallversorgung auch in ländlichen Regionen und in Abhängigkeit der Krankenhausplanung des Bundeslandes soll der Luftrettungsdienst, insbesondere durch Ausbau von Landemöglichkeiten und Nachtbetrieb, erweitert werden.
- Allgemeine Gesundheitskompetenz
„Erste Hilfe“-Kurse sollen in den Grund- und weiterführenden Schulen und am Arbeitsplatz angeboten werden und verpflichtend sein.Ersthelfer-Apps sollen flächendeckend eingeführt werden.
Öffentlich zugängliche Defibrillatoren sollen flächendeckend aufgestellt werden.
- Finanzierung des Rettungsdienstes
Krankenkassen sollen die Leistungen der Leitstelle, die Notfallversorgung vor Ort, den Notfalltransport sowie zusätzliche Dienste (wie die pflegerische Notfallversorgung) vergüten.Die Vergütung des Rettungsdienstes sollte sich aus Vorhalte- und Leistungsanteil zusammensetzen.
Neben bundesweit geltenden Entgelten sollten regionale Anpassungsfaktoren vereinbart werden.
Autor: Rolf Klukowski, Berlin, unter Berücksichtigung der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 6. September 2023