„Der neue Marinehubschrauber vom Typ NH-90 NTH “Sea Lion“ hat seinen ersten SAR-Einsatz durchgeführt” hatte das Presse- und Informationszentrum der Deutschen Marine noch Anfang Juli mitgeteilt, dass der neue Marinehubschrauber NH-90 NTH „Sea Lion“ ab Juli in den SAR -Dienst (Search and Rescue) über See einsteigen soll, so erfolgte am 17. Juli 2023 tatsächlich der erste echte Einsatz im SAR-Dienst. Eine Patientin musste so schnell wie möglich von Wyk auf Föhr in ein Krankenhaus nach Husum gebracht werden. Der „neue“ Marinehubschrauber NH-90 NTH „Sea Lion“ hat damit nun rund vier Jahre nach der Übergabe der ersten Maschine an die Bundeswehr begonnen, langsam den „Sea King Mk41“ im Parallelbetrieb abzulösen.
Im Herbst 2019 erfolgte die Übernahme der ersten Sea Lion durch die Beschaffungsbehörde. Am 27. Mai 2020 übernahmen dann die Marineflieger offiziell die ersten drei Mehrzweckhubschrauber vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Bis Sommer 2021 folgten acht weitere Maschinen und am 26. Januar 2023 hatte die Bundeswehr in Donauwörth dann den letzten von insgesamt 18 NH-90 von Airbus Helicopters erhalten.
Bereits seit 2021 passt die Marine den Flugbetrieb des “Sea Lion“ schrittweise an das System Einsatzgruppenversorger in der Praxis an und erweitert so sukzessive das Einsatzspektrum des neuen Marinehubschraubers. Der NH90 NTH wird künftig auch als Bordhubschrauber in taktischer und in unterstützender Rolle eingesetzt werden. Er soll darüber hinaus ab 2025 die Westland Mk88 “Sea Lynx“ ablösen.
Wissenswertes zum NH-90 NTH „Sea Lion“
Der NH-90 NTH „Sea Lion“ ist der neue Mehrzweckhubschrauber der Marine. NTH steht für Naval Transport Helicopter, um ihn von anderen NH-90-Versionen zu unterscheiden. Er basiert auf dem NATO Frigate Helicopter, dem NFH, und verfügt – anders als die Heeresvariante TTH (Tactical Transport Helicopter) – über deutlich mehr Sensoren sowie Navigations- und Kommunikationsgeräte.
Als Marinehubschrauber hat der Helikopter auch wichtige bauliche Unterschiede: Er besitzt unter anderem eine Harpune, um sich auf Flugdecks von Schiffen zu sichern, und einen automatisch faltbaren Rotor für den Bordhangar. Als Bordhubschrauber lässt er sich auf den Einsatzgruppenversorgern der Berlin-Klasse einschiffen, kann aber auch auf allen anderen Marineschiffen mit Flugdeck landen.
Hauptsächlich dient der Hubschrauber für Such- und Rettungsmissionen (SAR) sowie für den Transport von Personal und Material. Bis zu 20 Menschen finden im NTH Platz, bis zu 16 im Flug über See. Für SAR-Einsätze hat er eine Rettungswinde und spezielle medizinische Ausstattung. Die Marine ist mit der Dauereinsatzaufgabe SAR See betraut und versetzt dafür seit Jahrzehnten ganzjährig 1 – 2 Hubschrauber in eine 24⁄7 Rufbereitschaft. Der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich über die Nordsee von den Niederlanden bis weit in die Deutsche Bucht hinein und über die Ostsee bis nach Schweden und Polen. Der Auftrag deckt zur Unterstützung der Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger die Seenotrettung ab, schließt die Rettungskette bei zivilen und militärischen Unglücken in der Luftfahrt und unterstützt auf Anforderung den zivilen Rettungsdienst.
Noch mehr Augen für die Flotte
Zu den Sensoren des Sea Lion gehört ein 360-Grad-Seeraum-Überwachungsradar, Infrarot- und Videokameras kombiniert mit Laser-Entfernungsmesser sowie Sensoren für gegnerische Radare. Eine taktische Konsole verarbeitet die Sensordaten und tauscht sie mit anderen Schiffen und Flugzeugen der Flotte aus. Diese Ausrüstung macht den wandlungsfähigen NTH zu einem Aufklärungshubschrauber.
Der Sea Lion eignet sich obendrein für den Einsatz von Boardingsoldaten oder Spezialkräften. Begibt sich der NTH dabei in eine Risikozone, lässt er sich mit schweren Maschinengewehren bewaffnen. Zum Eigenschutz in solchen Situationen kann er Täuschkörper werfen.
Ein kurzer Blick in Geschichte — Multinationales Hubschrauberprojekt mit nationalen Besonderheiten
Der NH-90 basiert auf den harmonisierten Forderungen von Deutschland, Frankreich, Italien und der Niederlande, die 1992 die NATO Helicopter Management Agency (NAHEMA) gegründet hatten. Ergänzt wurde diese Entwicklung durch nationale Anpassungen, die von den spezifischen Nutzungsanforderungen der jeweiligen Staaten abhängig waren.Die Basis für die Beschaffung der NH-90-Produktfamilie ist ein Entwicklungs- und Beschaffungsvertrag zwischen der NAHEMA und dem Industriekonsortium NH-Industries aus dem Jahr 2000. Später haben das Bundesministerium der Verteidigung und der Hersteller Airbus Helicopters Deutschland vereinbart, auch 18 NH-90 NTH für die Marine zu beschaffen.
Autor: Rolf Klukowski, Berlin unter Beachtung von Informationen des Presse- und Informationszentrums der Marine